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Die mutige Blaumeise
In einem Garten einer Kleinstadt standen herrliche Büsche und Tannenbäume. Im Frühling wenn die jungen Blätter wie ein grünes Kleid die Äste zieren, die Luft nach Blüten und Blumen duftete, dann sind auch die Zugvögel wieder im Land und in den Bäumen und Büschen herrscht aufgeregtes Leben.
Ein Zwitschern, Trillern und Jubilieren schallt dann durch die Luft und die kleinen gefiederten Sänger scheinen sich gegenseitig mit ihren Liedern übertrumpfen zu wollen.
 
Welch eine Farbenpracht war da zu sehen im dem kleinen Garten, das „zi-zi-be“ der Meisen, „twit twit twit“ des Kleibers. Prächtige Finken tummelten sich im Geäst und veranstalteten einen Radau der fast an Lärmbelästigung grenzte.
Die Besitzer des Gartens fanden es aber wunderbar und lauschten bei geöffneter Terrassentür dem täglichen Konzert.
Nun ja es war eben Brautschau angesagt, sich kennen und schnäbeln lernen, ein Nest bauen und Junge aufziehen, ein anstrengendes Vorhaben besonders für die männlichen Vögel, wussten sie doch das nur mit kraftstrotzender Ausdauer ein weibliches Vogelherz zu gewinnen war, ein herrliches Gefieder und ein robuster Gesundheitszustand war ebenso wichtig um eine Dame zu erobern.
Ein kleiner aber sehr kräftiger Blaumeisenmann zwitscherte was das Zeug hält. Seine kleine Brust bebte bei jedem Schrei. „Tsi Tsi Tsi“
 
Er war aber auch wirklich ein Prachtkerl, seine kleinen Augen funkelten und sein Scheitel hatte einen besonders schönen Blauton. Sein Gefieder glänzte in der Morgensonne und er könnte Äste ausreißen so energisch war er. Ein Angeber war er, sagten die anderen, erzählte ständig wie mutig er war, die Katze im Nachbarsgarten hatte er verscheucht in dem er sie attackiert hatte als wäre er eine große Elster, die Regenwürmer würde er seinen Konkurrenten aus dem Schnabel stehlen und beim größten Gewittersturm saß er oben auf der Tannenspitze und trotzte den Elementen.
Und jetzt will er natürlich die hübscheste Blaumeisendame heiraten. Eine hat er sich schon auserkoren, ein niedliches Ding, schlank und pfiffig, gesund sah sie aus und nicht uninteressiert. Sie hatte gestern zwar gelangweilt an ihrem Insekt gezupft als er vorbei flog aber sie hörte seinem Balzgesang zu und als er seine Geschichte von der Katze dem Kleiberpärchen und Dompaffmännchen erzählte hat sie ganz aufmerksam zugehört.
Ein bisschen würde er sie noch zappeln lassen aber dann wenn er ihr genug seine Männlichkeit präsentiert hatte würde er sie auf ein Treff in dem Vögelhäuschen das in dem kleinen Garten stand einladen. Die Besitzer waren so freundlich und streuten das ganze Jahr Futter hinein und der kleine Blaumeisenmann fand diesen Treffpunkt passend. Das sie ihn ablehnen könnte auf diese Idee kam er nicht, alle anderen Kerle sind doch Schwächlinge und sahen nur halb so gut aus wie er.
Es hätte wohl alles so einfach werden können wenn unser kleiner Aufschneider seinen Schnabel nicht ganz so weit aufgerissen hätte.
Eines Morgens, die Luft roch frisch und nach Frühsommer trällerten mal wieder alle um die Wette. Die Buchfinken hüpften auf der Erde nach Nahrung, eine müde Amsel saß im Vogelhaus und döste vor sich hin, die Kohlmeisen spielten frech miteinander.
 
Mittendrin im Busch erzählte unser Blaumeisenmann wieder einem jungen Zaunkönig das er grundsätzlich nur die fettesten Regenwürmer seiner Brut liefern würde, schließlich sollen die Kinder kräftig und gesund heranwachsen, er kenne da seine Stellen, natürlich nicht ungefährlich weil eine Katze und ein Hund dort lebten aber ihm mache das nichts aus, für die Familie natürlich nur das beste. Er plusterte sich auf, wohl wissend dass seine Auserkorene mit ihren Freundinnen in der Tanne daneben saß und gründliche Federpflege betrieb.
Einer der Buchfinken piff von unten hoch. „ Ja ja ist gut, wir wissen schon das du ein Kraftprotz bist“. Die Kohlmeisen glucksten zustimmend. „Unser Held kann es einfach nicht lassen mit seinen Geschichten“ trillerte ein zartes Rotkelchen und wippte mit ihrem Körper auf und ab.
„Nur kein Neid meine Lieben, ich bin eben so, von Natur aus versteht sich“ Der kleine Blaumeisenmann zitterte mit seinen Flügeln und zwar so das seine Angebetete sein Werberitual auch bemerkte.
„Wenn du schon so ein Held bist warum zeigst du uns dann nicht einer deiner Heldentaten, bis jetzt haben wir davon ja nur gehört“. Ein anderer Blaumeisenmann flog auf die Spitze des Vogelhäuschens so dass ihn jeder sehen konnte. Er war nicht hässlich, ein bisschen blass das Gefieder aber er sah jung und stark aus.
 
Wo kam der denn jetzt her? Das fehlte gerade noch das kurz vor der Erhörung der Liebsten ein Rivale auftauchte.
„Findet ihr nicht auch dass er seinen Mut beweisen sollte? Wie wär es denn mit einer Mutprobe du Klugscheisser“.
Jetzt wurde es still um das Vogelhäuschen. Alle richteten ihre Blicke zu unserem kleinen Sprücheklopfer. Auch sein Blaumeisenmädchen schaute interessiert auf ihn. So ein Mist, jetzt musste er das richtige sagen sonst war er unten durch und konnte sich gleich eine neue Balzstelle suchen.
„Wenn dir das so wichtig ist bitte? Vielleicht lernst du dann was“ sagt er verwegen aber sein kleines Vogelherz schlug schwer in seiner Brust. Hoffentlich kam nicht die Katze ins Spiel, denn ehrlich unter uns gesagt, stimmte das nicht so genau, er hatte nur ein bisschen angeben wollen, was ist schon dabei, die Katze hat ihn eigentlich gar nicht bemerkt.
„Also gut, ich weiss wie du uns dein Heldentum beweisen kannst und solltest du das wirklich schaffen dann Feder ab vor unserem Meisterhelden“ schrie der Rivale das es auch alle anderen hörten.
„Was soll er denn machen?“ fragte ein Kleibermann. Mit seiner schwarzen Zorromaske um die Augen sah er gefährlich aus, kopfüber saß er auf einem Ast und verfolgte die Situation interessiert.
Die Neugierde hatte jetzt aber wohl alle gepackt denn plötzlich kamen wie aus heiterem Himmel eine Horde Grünfinken und Tannenmeisen dazu. Umringt von Vogelscharen plusterte sich der Blaumeisenmann auf dem Vogelhäuschen auf.

„Morgen früh werden wir uns hier versammeln, genau zu der Zeit wenn unsere Menschen hier in dem Haus wach werden, ziemlich genau wenn wir gezwitschert haben geht die Terrassentüre auf. Genau dann fliegst du in das Haus, setzt dich auf den Stuhl der gleich in der Ecke steht und machst einen Klecks auf den Boden. Dann bleibst du noch etwas sitzen und fliegst wieder raus. Na wie ist es, ein Kinderspiel für einen wie dich oder?“ Völlig entsetzt hörte sich die Vögelschar die Mutprobe an und dann war das Gezwitscher groß. „Viel zu gefährlich“ piepste das Rotkelchen. „Unmöglich, zu riskant“ schmetterte der Zaunkönig. Die anderen Blaumeisen keckten untereinander.

Der blau schillernde Kopf unseres Blaumeisenmanns wurde blass, mit allem hatte er gerechnet aber das war schlimmer als seine eigene großspurige Phantasie. Mit Menschen wollte er nichts zu tun haben, sie taten ihm nichts aber nur weil er sich auf Abstand hielt: Sie halten sich Katzen, das muss man sich mal vorstellen.
Sicher das Vogelhäuschen, eine nette Geste, besonders im Winter, aber konnte man deswegen vertrauen? Das war nicht machbar, er war entlarvt als Feigling, er musste ablehnen, aufgeben, das Revier verlassen. Verstohlen äugte er zu seiner Verehrten und da sah er ihren Blick. Sie schaute ihn an, liebevoll, ermutigend, ich vertraue dir, sagte dieser Blick.
Sie war aber auch entzückend, ein Prachtmädel. Er holte tief Luft und verfluchte sich gleichzeitig.
„ Gut, ich mache es. Morgen wie besprochen“ und flog eilig davon.
Die aufgeregten und besorgten Nachrufe konnte er noch hören als er schon ganz oben auf einer Tannenspitze  auf seinem Ast gelandet ist.
Sein Freund, eine ältere und weise Blaumeise flog ihm nach. „Bist du von dem Uhu gepackt worden? Das ist dein Todesurteil, das ist das Unheil herausfordern. Du weißt doch gar nicht was hinter diesen Mauern vor sich geht. Du wirst zerquetscht, getötet werden. Gib auf, sei schlau wie die Elster.“
„Ich kann nicht, es ist zu spät. Ich bin selber schuld mit meiner Angeberei, ich habe es mir selbst eingebrockt. Und es geht um mein Glück, ich bin verliebt und muss es beweisen.“
„Du hättest ihr deine Liebe auch durch deinen Gesang zeigen können, wenn sie dich liebt wäre es ihr genug.“ Sein Freund flog in die Luft und ließ ihn allein.
 
Es wurde eine grauenvolle Nacht für unseren kleinen Helden. Er tat kein Auge zu, die Nacht war klar und die Sterne funkelten am Himmel. Wunderschön sah das aus aber er sah es nicht, war im Gedanken bei der wahninnigen Tat die ihm bevorstand.
Morgen bin ich tot, dachte er, ich werde den Sommer nicht mehr miterleben, keine Liebe spüren, keine Kinder großziehen, ihnen keine Insekten in ihre kleinen hungrigen Schnäbel stecken die er zusammen mit seiner Liebsten unermüdlich sammeln würde. Sie nimmt sich seinem Rivalen und gründet mit ihm eine Familie. Das war’s. Aus. Traurig schloss er seine kleinen Augen und zitterte den morgigen Tag entgegen.
Der war ein herrlicher, windiger Tag mit warmen Sonnenstrahlen die den kleinen Garten in ein mildes Licht tauchten. Die Gesänge der Vögel in den Büschen und Bäumen kam einem Konzert nahe und alles war so harmlos und friedlich. Der kleine Blaumeisenmann hatte nur mit Mühe ein kleines Insekt gefrühstückt, alles andere wäre ihm nur im Halse stecken geblieben. Und pünktlich nach dem Fressen, Gefiederputzen und Gesang versammelte sich die gesamte Vogelschar um das Futterhäuschen, oben drauf wartete bereits der Rivale. Der hatte sicher gut geschlafen, voller Vorfreude auf sein Liebesglück. Die Schöne selbst saß auf einem Tannenzweig. Sie war ganz ruhig, sah aber besorgt aus. Sie hatte auch schlecht geschlafen, wollte etwas zwitschern zu ihrem Verehrer aber sie traute sich nicht. Fühlte sich irgendwie mitschuldig, typisch Meisenfrau eben.
 
„Ist das nicht ein wunderbarer Morgen? Seht nur, wie ich es gesagt habe, die Terrassentüre ist bereits geöffnet worden.“ Der Rivale nickte zu dem Haus und tatsächlich sie stand bereits offen, wie ein Höllentor lud sie zum letzten Flug ins Verderben ein. Alle Blicke richteten sich auf unseren kleinen Vogel der nur noch die Tür zum ewigen Jenseits sah. Das laute Pumpern seines kleinen Herzens konnten sie nicht hören, diese Schaulustigen auf seinem Weg zum Schafott.
Er holte tief Luft und flog los, nicht kneifen, einfach machen, jetzt war es zu allem Denken und Diskutieren zu spät. Er legte die Flügel an seinen Körper und schoss durch die Fenstertüre direkt zu dem Stuhl in der Ecke und ließ sich flatternd nieder.
Gehetzt schaute er sich um. Ruhig war es in dem hellen Raum. Nichts bewegte sich, er hörte nur von oben ein leises Summen. Das gleichmäßige Ticken einer Uhr. Nirgendwo eine Katze oder Hund. Noch lebe ich dachte er schnell, jetzt noch den Klecks und dann raus hier. Aber komisch, das was sonst ständig funktionierte, wollte nicht klappen. Sein kleines Hinterteil war wie gelähmt, er konnte einfach nicht, hatte nicht viel gefressen, vielleicht lag es daran, so ein Mist. Doch dann wie von selbst platschte der erhoffte Klecks auf den Boden. Ein Geschenk des Himmels. Er sah durch das Fensterglas die gesamte Vogelbrut sitzen, wie sie sich die Hälse verrenkten und die Augen aufrissen, entsetzt, neugierig, gehässig, scheu. So, jetzt nichts wie raus hier. Seine Mission war erfüllt.
Er wollte gerade los fliegen als er von oben eine Türe hörte und weil es ein windiger Tag war und es wahrscheinlich im Haus zog knallte die Terrassentür wie von Geisterhand in sekundenschnelle zu. Panisch und völlig kopflos flog der kleine Blaumeisenmann zu der geschlossenen Fensterfront und schlug mit seinem Kopf an das unsichtbare Nichts.
Draußen herrschte jetzt die volle Aufregung. Was war passiert? Warum kam er nicht raus? Um Himmels Willen das wollte doch keiner, nicht mal der Rivale. Besorgt schaute er auf seinen Artgenossen hinter der Glastüre der bewegungslos auf dem Boden lag. Es kam aber noch schlimmer denn die Hausherrin die im ersten Stock des Hauses den Luftzug verursacht hatte kam die Treppe herunter und sah den kleinen Vogel  regungslos liegen.
Jetzt ist es aus mit ihm, dachten alle seine gefiederten Kollegen.
Vorsichtig hob die Frau die kleine Blaumeise hoch. „Na du kleiner Piepmatz, hast du dich verflogen?“ Langsam kam unser kleiner Vogel wieder zu sich, die warme hohle Hand die ihn zärtlich hielt spürte er als erstes: Benommen blickte er hoch und wollte gleich vor Angst sterben.
 „Na dein Herz schlägt ja wie eine Trommel, ist doch nicht so schlimm, du bist wohl an die Scheibe geknallt?“ Zart strich sie über sein Gefieder und irgendwie meinte der Blaumeisenmann, wenn das der Tod ist dann werd ich das überleben. Er entspannte sich etwas und das Brummen in seinem kleinen Schädel ließ langsam nach. „Ich denke du kannst jetzt wieder in die Sonne, kleiner Freund“ Die Frau öffnete die Terrassentüre. Das ließ er sich nicht zweimal sagen, denn wenn dieser nette Mensch den Klecks am Boden sah überlegte er es sich vielleicht noch mal. Ihre warme Hand gab ihn frei und er flog wie Phönix aus der Asche in die ersehnte Freiheit.
Das war ein Empfang, ein Gekreische, Flügelschlagen, Kopfnicken und Schnäbeln. Der Held kam zurück, er hatte es geschafft, hatte die größte Mutprobe bestanden, er war kein unreifer Angeber sondern ein mutiger Kerl mit Lebenserfahrung. Der Rivale nickte ihm anerkennend zu und flog davon, für ihn gab es hier nichts mehr zu holen. Sein weiser Freund hüpfte auf ihn zu und steckte ihm eine frische Fliege in den Schnabel. „Hier mein Freund, das wird dir gut tun.“ „Danke“ sagte unser Held dankbar.
 
Er war noch zu aufgeregt und ließ stumm die Lobeshymnen über sich ergehen. Erschöpft saß er auf dem Dach des Futterhäuschens und genoss den Beifall. Wo war sie? Unter der ganzen Horde gefiederter Wilden konnte er sie nicht sehen. Sie war da, ganz hinter der Masse saß sie und beruhigte sich nur langsam. Sie hatte solche Angst um ihn gehabt, war sie doch schon lange verliebt in ihren Aufschneider. Wollte ihn noch zappeln lassen bevor sie ja sagte.
 
Die weise Blaumeise wies alle zurecht, spürte was jetzt kommen würde. „Kommt wir haben alle noch zu tun, lassen wir unserem Mutigen etwas Ruhe.“ Die bunte Vogelschar flog nacheinander in ihre Büsche und Bäume nicht ohne noch mal ein lautes Jubelrufen loszulassen. Was für ein denkwürdiger Tag.
Der Held und seine Angebetete blieben natürlich zurück. Langsam näherte sich die Schöne ihrem Prinzen. „Du hast es wirklich gewagt und überstanden. Ich gratuliere dir. Aber bist du auch so leichtsinnig mit deiner Familie?“ zirpte sie leise.
Unser Blaumeisenmann sah ihr fest in die Augen. „Nein, das dumme Gerede hat ein Ende und auch Mutproben müssen in Zukunft ohne mich auskommen. Ich will ein Nest bauen und mich um meine Familie kümmern. Mir fehlt nur noch die Richtige dazu.“ Seine kleinen Flügel zitterten geschmeidig vor ihren Augen auf und ab. „Wenn du mich noch willst?“ fragte er vorsichtig, so bescheiden wie nie.
 
„Ich hätte dich auch ohne deine Mutprobe genommen, du Wichtigtuer denn ich weiss das du das Herz am richtigen Fleck hast und mich und unsere Brut beschützen wirst. Was will ich mehr?“ rief sie fröhlich und als sie das zwitscherte, hüpfte er auf sie zu und sie schnäbelten wie wild.
Später als die Sonne hoch am Himmel strahlte flogen sie dicht beieinander durch die warme Luft und freuten sich ihres Lebens.
 
Ich habe es überstanden und meine Liebste bekommen, freute sich unsere kleine Meise und er wusste aber auch dass man ohne Heldentaten und Aufschneidereien sein Glück finden konnte. Aber ein bisschen Angeben zwischendurch ist auch schön, dachte er stolz, denn es hat ihm gezeigt dass er wirklich mutig war.
 



Eine Seele von einem Beistellpony
Lucy, ein kleines Islandpony, sah Hector das erste Mal gleich in einer einmaligen Aktion auf dem Gestüt.
Sie beobachtete von ihrer Koppel, wie Hector aus seinem Transporter geschoben wurde und gleich hysterisch ausschlug. Dabei erwischte er mit seiner Hinterhufe den Hofbesitzer Pfister und verletzte ihn am Ellbogen. Die aufgebrachte Menschenhorde versuchte verzweifelt das wilde Tier zu bändigen und irgendwann hatten sie ihn dann mit viel Kraft und Überzeugung in seine Box verfrachtet.
Was für eine Aufregung. Herr Pfister musste gleich zum Arzt wegen seinem Arm, Frau Pfister weinte, Hans der Stallbursche fluchte und die Transportleute verzogen sich lautstark schimpfend vom Hof.
Lucy hatte von dem Haflingerpferd Schorsch erfahren, dass ein Araberhengst hier so eine Art Kur verbringen soll. Ein Rennpferd . Schnell, unheimlich und rabenschwarz war er. Der hatte schon alle Preise gewonnen. Jetzt war er etwas ausgebrannt, „Burn-out“ hatte er, musste wieder zu sich finden. Der Besitzer zahlte einen stolzen Preis, das ließen sich die Gestütbesitzer natürlich nicht entgehen.
Was es alles gab, dachte Lucy. Sie hatte sich eigentlich noch nie aufgeregt. Manchmal, wenn Toni der Hahn in aller Frühe krähte und Lucy noch so schön döste und von grünen Wiesen träumte. Dann vielleicht war sie etwas sauer. Aber sonst? Lucy dachte angestrengt nach. Sie lebte einfach in ihren Tag hinein und freute sich wenn morgens die Sonne aufging.
„Na Kleine, träumst du wieder vor dich hin? Das war mal eine Show oder? Hach, jetzt ist er endlich da, der arabische Prinz und gleich so ein Drama“. Rufus der Ziegenbock bleckte höhnisch vor sich hin. Schadenfroh war er, aber ansonsten ein witziger Kerl.
„Ja wirklich, eine Schande, „ meinte Lucy „und der Herr Pfister hat sicher Schmerzen“. Lucy hatte Mitleid mit dem Gestütbesitzer.
„Was muss er sich auch so ein Vieh in Haus holen, reine Geldgier. Jetzt haben wir das Ungeheuer auf dem Hof. Und weißt du, wer sich mit ihm im Stall vergnügen darf? Rate mal?“
Rufus stierte sie mit leuchtenden Augen an.
Lucy mochte diesen Blick gar nicht. Denn meistens hatte Rufus einen sechsten Sinn.
„Jetzt hat es dir die Sprache verschlagen, stimmts? Du und ich, Süße. Der stinkende Ziegenbock und das brave Beistellpony sollen jetzt für gutes Raumklima bei Ihrer Hoheit sorgen.“ Lucy blinzelte irritiert. Eine Aufgabe musste jeder hier verrichten. Keiner darf sich nur auf dem Gestüt tummeln. Lucy wurde oft vor einer kleinen Kutsche gespannt und fuhr  Gruppen von Menschen durch die Natur. Oder sie wurde von Kindern geritten. Das war alles in Ordnung und machte auch Spaß. Sein Futter musste man sich verdienen, keine Frage. Aber so eine Aufgabe? Was sollte das denn sein?
„Beistellpony? Das klingt aber nicht nett.“ Lucy fand die Bezeichnung schlimm. Es hatte etwas Entwürdigendes, Abwertendes.
„Wir sollen dafür sorgen, dass sich der Prinz erholt und sich entspannt. Solche Geschöpfe wie wir tragen dazu bei. Unser Geruch vielleicht, was weiß ich, wir sind so was wie Therapietiere.“
Rufus glotze zu dem Stall wo man Hector hingebracht hatte.
„ Ich helfe gerne wenn ich kann, aber hoffentlich wird er nicht böse.“ Lucy fand das alles ziemlich unangenehm.
„Keine Sorge, wenn der sich aufführt wie Graf Koks kriegt er gleich eine Abreibung. Warten wir ab, vielleicht täusche ich mich ja.“ meckerte Rufus, nicht wirklich überzeugend.
Natürlich hatte der Ziegenbock Recht. Nach drei Tagen brachten die Stallarbeiter Jenny und Hans die beiden zu Hector in die Box. Hector selber war noch mit seinem Therapeuten auf der Koppel. Dieser flüsterte ihm ständig etwas in seine Ohren und massierte sein schwarzes, glänzendes Fell. Die Box war groß und es roch nach frischem Heu. Lucy stellte sich brav in ihre vorgesehene Ecke. Rufus bockte etwas rum und ging  in die andere Ecke. Er war sauer weil man ihn von seinen Ziegendamen entfernte. Es war still im Stall und die beiden warteten auf ihren Kurgast. Nach einer Weile kam dann auch der Hengst. Er wurde von seinem Pferdeflüsterer hereingeführt. Hector sah, dass er Besuch hatte und scheute leicht. „Ruhig“ mahnte der Mann und streichelte das unruhige Pferd. Dann verließ er die Box.
„Hallo Hector“ Rufus kam gleich zur Sache. „Wir sollen dir Gesellschaft leisten, also genieße uns“. Lucy schaute Hector neugierig an. Er war wunderschön, stark und kräftig. Seine schwarzen Augen huschten unruhig hin und her. 
„Dann tut mir einen Gefallen und haltet eure Fressen. Kluge Sprüche höre ich den ganzen Tag“. schnaubte Hector genervt und er blähte gefährlich seine Nüstern. Er war schlecht drauf nach dem ganzen Gesäusel des Typen. Lass locker, mach dich frei, der ganze Mist konnte ihm gestohlen bleiben. Er wollte nur seine Ruhe. Warum ließ ihn keiner einfach mal in Ruhe?
Das Pony sagt keinen Ton und das war auch gut so. Klein und etwas stoisch stand es in der Ecke und sah zu ihm rüber. Es war pummelig und weiß mit braunen Flecken. Seine Mähne war lang und etwas filzig. Es hatte große Augen in denen eine wahre Stille herrschte. Hector hatte noch nie solche Augen gesehen. Er starrte das Pony an und meinte in diesen warmen Augen zu ertrinken. Eine ihm unbekannte Ruhe überfiel ihn und er wurde plötzlich müde und beruhigte sich. Im Stall wurde es langsam dunkel und die neue Wohngemeinschaft verbrachte ihre erste gemeinsame Nacht.
Am nächsten Morgen hatte jeder seine Aufgabe zu erledigen. Hector musste Wassergrabengymnastik über sich ergehen lassen, Rufus wurde in das Streichelgehege gebracht und Lucy hatte Reitunterricht mit schwererziehbaren Kindern. Lucy galoppierte brav ihre Runden, wurde gestreichelt und mit Äpfeln gefüttert. Sie genoss den warmen Tag. Mit ihren Gedanken war sie bei Hector. Es ging ihm schlecht, das fühlte Lucy. Sie hatte sich nicht getraut ihn anzusprechen. Sie wollte nur Blickkontakt und irgendwie war Hector dann auch ganz umgänglich geworden.
Lucy trabte nach Dienstschluss mit Hans zurück in die Box. Hector war schon fertig mit seiner Gymnastikstunde und bekam sein Spezialfutter. Lucy stellte sich in ihre Ecke und sah dem Hengst beim Fressen zu.
 „Wie heisst du, Pony?“ Hector unterbrach sein Fressen und stierte Lucy finster an.
„Ich heisse Lucy und bin dein Beistellpony“.
„Ha, was für eine Bezeichnung. Ihr seid da um mir meinen Wellnessaufenthalt angenehm zu machen. Ich kenne das alles. Ich bin ein Spitzenass, ein Gewinner, ich war schon auf allen Turnieren und habe alle Preise gewonnen. Ich werde hoch gehandelt, mein Team ist reich durch mich geworden. Ich bin ein Rassepferd und ein seelischer Krüppel. Ich habe Angst morgens auf zu wachen, weil jeder etwas von mir will. Leistungsdruck, Training, Forderungen. Ich muss perfekt sein. Überall hohe Erwartungen. Von klein auf ging ich durch diese harte Schule und meine Zukunft ist geprägt von Erfolg und Macht. Und hier soll ich mich erholen und das ganze Spiel beginnt von vorne.
Verstehst du was ich dir da sage?“
In Lucys Kopf drehte sich alles. Da waren so viele Wörter und Ausdrücke die sie noch nie gehört hatte und sie klangen alle schrecklich anstrengend und ungesund. Der große Hengst erwartete jetzt eine Antwort von ihr. Warum war Rufus noch nicht zurück? Der hätte sicher gewusst was zu tun war.
„Ich freue mich wenn in der Früh die Sonne aufgeht und ich mein Fressen bekomme. Dann erledige ich meine Arbeit und freue mich auf meine Mittagspause. Dann arbeite ich bis Abends und freue mich auf mein Fressen und meinen Stall. Und ich hoffe, dass morgen wieder alles genauso abläuft. Ich denke nicht nach was gestern war und mache mir keine Gedanken was in der Zukunft sein wird. Ich lebe immer im Moment und der ist immer gut und richtig für mich.“
Lucy hatte noch nie in ihrem Leben so einen langen Satz von sich gegeben und wahrscheinlich wird Hector kein Wort verstanden haben was sie meinte. Sie sah ihn mit ihren großen Augen fragend an und Hector kam langsam auf sie zu.
„Ja, das ist es, was mir fehlt. Ich bedauere meine Vergangenheit, meine Kindheit die ich nie hatte und die Angst vor der Zukunft, weil ich da nur eines sein muss, perfekt. Die Sonne aufgehen sehen oder eine grüne Wiese entlang laufen ohne etwas zu müssen, ist mir fremd.
Du führst dieses Leben, ich sehe es in deinen Augen, da herrscht Frieden und Einklang. Du bist gesegnet kleine Lucy.“ 
Hector sah Lucy tief in die Augen und seufzte laut. Dann ging er zu seinem Platz zurück. Lucy fasste sich ein Herz und ging zu dem schwarzen Hengst und stellte sich neben ihn.
„Lass uns einfach da stehen und schauen“, sagte Lucy zu Hector.
Hector erholte sich, er machte seine Therapien und genoss Lucys Anwesenheit und Stille. Rufus verhielt sich angemessen zurückhaltend und störte nicht die meditative Harmonie.
Am Tag der Abreise standen Lucy und Hector wieder eng zusammen. Sie verharrten in ihrer Ruhe und im gegenseitigem Einklang im Hier und Jetzt. Durch Lucy hatte Hector gelernt den Moment zu genießen und Entspannung zu empfinden. Die Therapie war ein Erfolg.
„Danke kleine Lucy, ich nehme dieses Bild mit in meine Welt und wenn ich meine Angst spüre denke ich an uns beide, hier in diesem Stall. Du bist ein sehr gutes Therapiepony“.
Lucy sah Hector tief in die Augen und freute sich für das Kompliment.
„Dann lass uns den Augenblick noch gemeinsam genießen, Hector, denn nur der zählt.“
 
 



Herr Mäusezahn auf Brautschau
In einer Reihenhaussiedlung im kühlen Mauerbau wohnte Herr Mäusezahn in einer durchaus komfortablen kleinen Wohnung. Genauer gesagt ein kleines Zimmer mit Ausgang auf einen blühenden Garten. Mietfrei wohl gemerkt.
Die Hausbesitzer, eine lebhafte Familie, Vater, Mutter und zwei Kinder sorgten für abwechslungsreiche Mahlzeiten, die sie freundlicherweise vom Tisch direkt auf den Boden fallen ließen. Hr. Mäusezahn brauchte nur zu warten bis die Familie das Haus verließ und das taten sie regelmäßig.
Dann huschte er durch seinen Eingang, der sich direkt hinter dem Sofa im Wohnzimmer befand und holte sich seinen Vorrat. Niemand hatte ihn bemerkt, keinen störte es.
 
So ließ es sich leben, wäre da nicht die Einsamkeit. Mäusezahn wusste dass er sich bald eine Frau suchen musste. Als eingefleischter Junggeselle war diese Entscheidung nicht leicht aber der Drang eine eigene Familie zu gründen mehr als notwendig. Rein rechnerisch müsste er schon für hunderte von Nachkömmlingen gesorgt haben, aber die richtige Frau dafür war eben noch nicht gefunden.
Sie waren alle gewöhnlich, einfach. Mäusezahn liebte das besondere, es musste doch eine Frau geben die sein Herz im Sturm erobern konnte? Er träumte oft von so einer Begegnung. Er war jung, stark und sein Fell glänzte gesund. Überhaupt hatte er auch was zu bieten. Sein Heim war ordentlich und in einer sicheren Umgebung.
Vielleicht war es noch nicht zu spät.
Nein war es nicht, denn eines schönen Tages kam die gewünschte Veränderung für unsere Singlemaus.
 
Mäusezahn wartete wie üblich bis die Familie dass Haus verließ, die Stille die sich in dem geschmackvollen Haus ausbreitete, war der Startschuss für seine Erkundigungen. Schnell und leise huschte er erst unter den Esstisch und aß sich satt. Es gab wohl heute Lasagne, seine Leibspeise. Genüsslich leckte er sich das Schnäuzchen und weil er guter Dinge war, lief er in den ersten Stock des Hauses in das Spielzimmer der Kinder. Mäusezahn mied es eigentlich hoch zu laufen da er befürchtete dass die Familie kurzfristig zurück kam, aber heute war ihm danach.
 
Das Spielzimmer war vollgestopft mit lauter herrlichen Stofftieren, auch eine braune Maus war darunter, Gesellschaftsspiele und sogar einer Schaukel die an der Decke montiert war. Mäusezahn sah sich um und plötzlich traf ihn der Schlag. Sein Herz stand kurz still um danach umso aufgeregter zu pumpern. Auf dem Sideboard am Fenster stand ein kleiner Käfig und darin saß eine weiße Maus die ihn ansah.
Langsam lief Mäusezahn zu dem Käfig. Da war sie, seine Göttin in Weiß. Schlank und elegant saß sie auf ihrem Schlafbau und sah ihn herausfordernd an.
„Na so was, ich dachte doch wirklich ich wäre das einzigste Haustier. Wie Frau sich irren kann“ Ihre Stimme war schmeichelnd und Mäusezahns Herz fing noch schneller zu schlagen an.
„Herzlich Willkommen, ich heiße Mäusezahn und wohne im Erdgeschoß, selbständig natürlich.“ Er machte einen kleinen Diener und lächelte der Schönen hinter Gittern zu.
„Aha, ein Mietschmarotzer also“ sie lachte und zeigte ihre kleinen Zähnchen.
„Eher der Putzdienst unterm Tisch, Gnädigste. Wann bist du denn eingezogen?“ fragte er neugierig.

„Vorgestern, ich bin noch etwas müde von der Reise. Aber es ist schön hier, ich bin gerne allein für mich. Die Enge in der Zoohandlung war schrecklich“.
Eine Zicke also, stellte Mäusezahn fest, aber ihre Art sich auszudrücken gefiel ihm und überhaupt war sie wirklich ein steiler Zahn.
„Wie heißt du?“ fragte er vorsichtig.
„Ich höre immer Lilly, also nehme ich an das ist mein Name. Was machst du hier denn so?“ fragte sie.
„Ich reinige erst meine Wohnung, beginne dann meinen täglichen Rundgang durchs Haus und hole mir das Futter direkt frisch unterm Tisch. Anschließend setze ich mich auf meine Terrasse ins Grüne und genieße den Tag“ erzählte er.
Sie sollte doch einen guten Eindruck von ihm haben.
„Du lebst also allein?“
Mäusezahn nickte. Sie war zweifelsohne interessiert. Er spürte es. Die Gitterstäbe zwischen ihnen machten ihn ganz nervös und er wollte zu gerne in den Käfig aber das war aussichtslos.
„Es würde mich sehr freuen wenn du mich besuchen würdest.“ sagte er freundlich.
„Wie soll das gehen? Die Kinder haben mich gestern nur kurz auf dem Teppich laufen lassen aber ich war immer unter Beobachtung“.
„Pass auf, wir müssen die nächste Gelegenheit nutzen. Es liegt dann an deinem Geschick und daran zweifle ich nicht dass du schnell genug bist. Wenn die Kinder dich das nächste Mal rauslassen musst du sofort versuchen aus dem Zimmer zu laufen. Dann die Treppe runter in das Wohnzimmer. In der Ecke unterm dem Fenster steht ein Sofa. Wenn du darunter schlüpfst siehst du den Eingang meiner Wohnung. Sie dürfen nicht sehen wo du hinläufst sonst ist auch mein Heim in Gefahr.“
Mäusezahn war sich nicht sicher ob sie sich auf so ein Abenteuer einlassen würde aber sie nickte und zwinkerte ihn mit ihren roten Augen zu.
„Geh jetzt besser, ich komme dich besuchen, fragt sich nur wann“.
Mäusezahn nickte und machte sich auf den Weg zurück, er dreht sich vor der Spielzimmertüre noch mal um und hauchte Lilly einen Luftkuss zu. Schnell rannte er zurück in seine Bleibe. 
Ich bin verliebt, jubelte er, ich bin verliebt. Ist sie es auch? Mäusezahn wusste nicht was er zuerst denken sollte vor Glück. Sie war perfekt für ihn, etwas Besonderes. Eine weiße Maus war zwar nicht unbedingt sein Beutemuster aber sie war einfach entzückend.
Ein Mäuseleben war nicht ewig dass wusste er und sie sicher auch.
Dann würde dem Familienglück nichts mehr im Wege stehen. Die Wohnung war nicht groß, notfalls mussten sie eben anbauen. Die halbe Nacht schmiedete er Zukunftspläne und er träumte von vielen kleinen Mäusen grau-weiß gestreift.
Es vergingen zwei Tage. Mäusezahn wollte schon hoch laufen und einen erneuten Besuch machen aber er durfte nicht zu aufdringlich sein. Sie würde es sicher versuchen. Anscheinend sind die Kinder sehr umsichtig. Hoffentlich legen sie sich nicht noch eine Maus zu, einen Rivalen konnte er jetzt nicht verkraften. Unruhig huschte er in seiner frisch geputzten Wohnung von einer Ecke in die andere und wartete aufgeregt.
Am dritten Tag nach seiner Begegnung mit Mäusedame Lilly hörte er plötzlich Geschrei im Haus. Er lief zu seinem Ausgang und schon kam seine Angebetete unter dem Sofa auf ihn zugelaufen.
„Schnell komme rein“ rief er aufgeregt und sie huschte in seine Wohnung.
„Das war knapp“ Lilly atmete heftig.  „Lang kann ich nicht bleiben, die Kinder sind sicher traurig und suchen mich“
Mäusezahn konnte sein Glück nicht fassen. Er starrte Lilly an. Sie war wirklich gekommen und sie war wunderschön. Lilly lachte.
„Siehst du jetzt bin ich hier.“ Sie schaute sich neugierig um.
„Möchtest du Kuchenkrümel?“ fragte er vorsichtig.
„Nein danke ich hatte schon Spezialfutter. Das ist also deine Bude, nett und für einen Junggesellen erstaunlich sauber“
„Ich liebe Ordnung und Hygiene. Schließlich will ich eine Familie gründen“
Jetzt war es raus. Er konnte sich nicht zurück halten. Warum auch? Wann ergab sich mal wieder so eine Gelegenheit?
Lilly schaute ihn keck mit ihren roten Äuglein an. Mäusezahns Herz schlug ihm bis zum Hals. Sie sagte.
„ Du bist sehr ehrlich und das bin ich auch. Ich habe auch nichts gegen Familienplanung. Du wohnst sehr bequem und ordentlich aber ich glaube es wäre besser wenn ich die Brut in meiner Bleibe großziehe. Die Vorteile sind, dass jeden Tag geputzt wird, das Fressen wird regelmäßig serviert und ist gesund und ausgewogen. Genau das richtige für Kinder. Ich kann mich um sie kümmern und du besuchst uns regelmäßig. Lange werden die Kleinen nicht bleiben aber so wie ich meine Besitzer kenne, werden sie an gute Plätze vergeben und wir können eine neue Familie planen. Was sagst du dazu?
 
Mäusezahn war sprachlos. Das war wirklich das letzte was er sich ausgemahlt hatte. Eine getrennte Beziehung? Familienbesuch hinter Gittern? Eine allein erziehende Mutter? Wo war da das Eheleben? Er war entsetzt.
 
„Überleg es dir in Ruhe, wir sehen uns dann sicher morgen“ fiepte Lilly süß und weg war sie.
 
Mäusezahn sah ihr sprachlos hinterher und musste das erst mal verdauen.
Unfassbar, was fällt der eigentlich ein?
 
Als er später noch etwas verstört auf seiner kleinen Terrasse saß und an einem Stück Käse und an seinem gekränkten Ego knabberte kam ihm ihr Vorschlag gar nicht mal so abwegig vor. Wenn Sie die Hauptarbeit alleine machen will, bitte sehr, er kam dann eben zum Vergnügen und spielen mit den Kindern und hat in seinem eigenen Haushalt Ruhe und Frieden.
 
Morgen würde er ihrem Vorschlag zustimmen und das Beziehungsleben konnte beginnen. Also wirklich, dachte Mäusezahn pikiert, diese emanzipierten Frauen.
Und lächelte zufrieden vor sich hin, denn eigentlich hatte sie nur das ausgesprochen was er sich doch immer gewünscht hatte.
Sie war wirklich etwas Besonderes.
 
 
 
 


Ein Dieb mit Herz
Ein besonders schöner gelber Kanarienvogel saß in einem großzügig ausgestatteten Käfig mitten in einem herrlichen Garten und jubilierte.
Um ihn rum hörte er lautes, fröhliches Vogelgezwitscher und er eiferte mit den anderen Sängern um die Wette. Sein Gefieder leuchtete goldgelb in der Sonne und an seiner zarten Kralle trug er einen besonders schönen glänzenden Ring.
 
Eine große Elster in einer Tanne beobachtet interessiert den kleinen Vogel. Besonders sein funkelnder Ring hatte es ihm angetan. Er musste ihn haben, koste es was es wolle.
Ist der Ruf schon ruiniert, stiehlt es sich unschiniert.
Er konnte das Gittertürchen sicher spielend öffnen und dem Wicht den Ring abziehen. Der Piepmatz machte einen schwachen Eindruck. Es war eigentlich ein Kinderspiel.
Die Elster flog in den Garten und landete auf dem Gras. Der Käfig stand auf einem kleinen Tisch. Vorsichtig hüpfte er darauf zu und fixierte den gelben Zwerg.
Der Kanarie bemerkte die Elster und war plötzlich verstummt.
 
„Na mein Freund, du sitzt so einsam im Käfig mit deinem hübschen Ring. Ich mache dir einen Vorschlag. Ich öffne dir die Türe und schenke dir die Freiheit. Als Gegenleistung bekomme ich den Ring. Ist das nicht ein Vorschlag nach deinem Geschmack?“
Die Elster sah unheimlich und bedrohlich aus und der Kanarienvogel hatte plötzlich Angst.
„Komm lass dir die Gelegenheit nicht entgehen. Heute ist dein Glückstag.“
Die Elster umfasste mit seinem großen Schnabel den Riegel der Käfigtüre und schon knackte es leicht und sie ging auf.
Der Kanarie  war wie gelähmt vor Schreck. In seinem Kopf rasten die Gedanken. Das ist eine Falle, das Ungeheuer will mich töten.
Gleichzeitig war die Aussicht auf Freiheit wie ein Geschenk des Himmels. Wie oft hatte er schon versucht seine Flügel zu öffnen und zu fliegen. Aber es ging nie so richtig, es lag bestimmt an dem engen Käfig. Aber so eng war der eigentlich gar nicht. Er musste es jetzt einfach versuchen, die Chance nutzen.
Vorsichtig hüpfte er zu dem Gittertürchen.
„Sachte, sachte, erst den Ring“ schnarrte der unheimliche Befreier und der Kanarie zog zitternd seine Kralle ganz schmal zusammen und die Elster zog ihm mit dem Schnabel den goldenen Schatz herunter.
 
Die Elster war hochzufrieden. Keine Schwierigkeiten, er hatte nichts anderes erwartet. Stolz hielt er den Ring im Schnabel und wollte schon hoch erhobenen Hauptes verschwinden als er sah was der kleine Vogel machte.
Erst hüpfte dieser ganz aufgeregt von dem Tisch auf den Rasen. Versuchte seine kleinen Flügel zu spannen, flatterte verzweifelt herum. Immer und immer wieder.
 
Flieg Kleiner, mach schon, dachte die Elster, aber es gelang ihm nicht. Nach ein paar Versuchen blieb der Kanarie völlig erschöpft sitzen.
Er kann nicht fliegen, die arme Kreatur. Schön und ein begnadeter Sänger aber flugunfähig. Plötzlich verspürte die Elster ein seltsames Gefühl in seiner Brust. Mitgefühl.
Er legt den Ring auf dem Tisch ab.
„Komm zurück, du kannst nicht fliegen. Wenn du auf dem Boden bleibst ist das dein Todesurteil“.
„Nein, ich will frei sein, ich will fliegen, hoch in den Himmel“ zwitscherte der Kanarie ganz verzweifelt.
„Dein Käfig ist deine Sicherheit, glaub mir. Du hast es versucht aber es geht nicht.“
Unglücklich hüpfte der Kanarienvogel zurück in seinen Käfig. Er hatte es immer geahnt dass etwas mit seinen Flügeln nicht stimmte.
„Sei nicht traurig. Bleib in deinem Käfig und singe und erfreue uns alle damit.
Die Freiheit würde dich umbringen.“
Die Elster nahm den Ring in den Schnabel und steckte ihn dem Unglücksraben wieder auf die kleine Kralle zurück.
 „Behalte ihn. Du hast mir einen kurzen Moment der Freiheit geschenkt. Du hast ein gutes Herz.“ piepste der kleine Vogel leise.
„Nein, er gehört allein dir.“
Die Elster verschloss das Gittertürchen und flog zurück in die Tanne.
Hoffentlich hat mich keiner gesehen, dachte er.
Eine Elster die ihre Beute zurück gibt. Sein Ruf wäre für immer dahin.
Nach einer Weile begann der Kanarienvogel in seinem Käfig ein wunderschönes Lied zu singen und oben in der Tanne hörte die Elster zu und freute sich diebisch.

....weitere Geschichten folgen...