© Barbara Pronnet erzählt...

Geschichten und Erzählungen

Bens Weihnachtswunsch

Jenny ging als Christkind zur Weihnachtsfeier. Weißes kurzes Kleid und goldener Haarreif mit Heilgenschein auf den blonden Locken, kleine goldene Pappflügel und schon sah sie aus wie ein Rauschgoldengel. Die Kollegen fanden es super und sie genoss die Komplimente. Wegen hoher Arbeitsbelastung fiel der Event auf den 23.12. Morgen konnten sie ja alle ausschlafen und den verdienten Weihnachtsurlaub antreten.
Jenny fand eigentlich gar nichts aufregend an Weihnachten und der Heilige Abend bei der Familie war nervig und spießig. Ihre Eltern behandelten sie wie ein Kleinkind und sie wurde sicher wieder gemästet und mit Liebe überschüttet. Seit Jenny allein wohnte, frönte sie mehr dem Nachtleben und fand sich mit ihren zwanzig Jahren cool und unabhängig.
Die Feier war feuchtfröhlich und als die Idee kam, gleich anschließend ein frühes Frühstück im Cafe um die Ecke  einzunehmen, war es schon nach neun Uhr morgens als sie sich alle lachend und müde von einander verabschiedeten.
Jenny wohnte nicht weit weg von dem Cafe. Sie wollte ihren Brummschädel auskühlen lassen und ging zu Fuß nach Hause. Sie knöpfte ihre weiße Felljacke fest zu und marschierte, leise zu dem neuesten Hit summend, ihre kleine Einbahnstraße entlang. Neue Reihenhäuser mit schicken Vorgärten waren bereits festlich geschmückt und überall blinkte und funkelte es aus den Fenstern. Nur das letzte Eckhaus war ohne Glanz und Lichterketten und als Jenny am Gartentor vorbei ging, saß ein kleiner Junge vor der Eingangstür und schaute ziemlich traurig drein. Als er Jenny sah, glitt ein so freudiges Strahlen auf sein kleines Gesicht, dass Jenny stehen blieb und zurück lachte.
„Na Kleiner, wer hat dich denn so Früh ausgesetzt?“ fragte Jenny kess wie immer.
“Bist du das Christkind?“ fragte er vorsichtig.
Jenny wurde sich ihres Outfits wieder bewusst und wollte gerade etwas klarstellen, als der kleine Junge schon das Tor geöffnet hatte und sie an der Hand nahm und Richtung Haus zog.
„Halt warte doch mal“ Jenny ging in die Hocke und sah dem Jungen in die Augen.
„Wo sind denn deine Eltern?“
„Die sind heut früh schon wieder in ihr Büro, da sind sie eigentlich immer. Heute kommen sie sicher auch wieder spät, aber heut ist doch Weihnachten und der Christbaum liegt noch im Keller und wahrscheinlich vergessen sie sowieso das du heute kommst. Jetzt kommt dann gleich mein Babysitter, aber die ist doof und hört nur Musik und mag mich nicht“ sprudelte es aus ihm heraus.
Und jetzt denkt er womöglich ich bin das Christkind, so ein Mist und das mir, dachte Jenny. Für sowas hab ich ja überhaupt keine Begabung.
Sie überlegte kurz und besann sich. Es war Heiliger Abend.
„Wie heißt du denn überhaupt?“ Jenny setzte ihr schönsten Lächeln auf.
„Ben. Ich bin sechs Jahre alt. Er zeigte sechs kleine Finger in die Luft.
„Pass auf Ben, du weißt dass ich heute viel zu tun habe, aber wo ich schon mal hier bin, komme ich kurz rein und trage dir den Christbaum hoch ins Wohnzimmer, ok?“
Ben nickte ganz wild und schob Jenny Richtung Haustür.
Noble Hütte, alles klinisch sauber und ziemlich ungemütlich, dachte sie sofort. Sie schlüpfte aus ihrer Daunenjacke und zog ihre Flügel in Form.
Ben lotste sie gleich in den Keller und Jenny sah den Christbaum und den Halter dazu in einer Ecke stehen. Wenigsten war er nicht so groß. Sie klemmte ihn sich unter den Arm und Ben zog eifrig eine Kiste aus einem Regal
„Der Schmuck ist da drin und die Krippe“ sagte er aufgeregt und lief schon wieder damit nach oben. Jenny versuchte ihre Kopfschmerzen auszuschalten und das Spiel einfach mitzumachen. Sie würde sich noch was einfallen lassen müssen wenn die Aufpasserin kam und sie hier antraf. Sie hatte Mitleid mit dem kleinen Kerl und eine Wut auf die abwesenden Eltern. Eigentlich sollten die hier sein und sich um ihr vereinsamtes Kind kümmern.
Im Wohnzimmer befreiten sie gemeinsam den Baum aus dem Netz und steckten ihn mit viel Mühe in den Halter. Ben öffnete die Kiste und ein Sammelsurium aus edelsten Kugeln, Glasfiguren und Strohsternen kam zum Vorschein. Ben lief zum CD-Player und schon dudelte „Lasst uns froh und munter sein“ durch das Wohnzimmer.
Jenny musste schmunzeln als sie den Kleinen beobachtete. Ben strahlte und plötzlich wusste Jenny was es hieß, Kinder mit großen Augen vor dem Christbaum zu sehen.
„Ich weiß schon was ich geschenkt bekomme“, Ben hing vorsichtig eine rote Kugel an den Baum. „Eine ganze Menge Spielsachen, ein Fahrrad, Hörbücher und Süßigkeiten, aber das weißt du ja selber, weil du das alles heute Abend bringst“.
„Du klingst aber nicht so begeistert. Stimmt, du bekommst eine ganze Menge, mehr als viele andere Kinder“.
„Eigentlich wünsche ich mir nur das Mama und Papa mehr Zeit für mich haben. Sie sind immer weg und abends müde und heute wird das sicher auch so sein“.
Jenny kniete sich zu Ben und sah ihm in die Augen.
„Ben, erzähl deinen Wunsch deinen Eltern heute Abend und richte ihnen von mir aus, dass es nichts Schöneres und Wertvolleres gibt als Zeit für einander zu haben. Kein Spielzeug dieser Welt macht so viel Freude. Hast du verstanden?“
„Ja, hab ich, ich sag ihnen das du dir das auch wünscht“.
„Richtig, Weihnachten ist ein Fest wo alle Menschen zusammenkommen, sich zuhören und für einander da sind. Das wünscht sich das Christkind am meisten“.
Der Baum sah wunderschön aus und sie schauten stolz auf ihr gemeinsames Werk.
„Die Kerzen machst du aber erst an wenn deine Eltern wieder da sind, versprochen? Ich muss jetzt los und du bleibst im Haus, draußen ist es kalt.“
Jenny ging in den Flur und zog ihre Jacke an. Plötzlich ging die Haustüre auf und ein junges Mädchen mit Kopfhörer und pinken Strubbelhaaren starrte sie entsetzt an.
„Keine Angst ich bin nur das Christkind“ grinste Jenny. Sie streichelte Ben über das Haar.
„Du wirst sehen, deine Eltern werden dir deinen Wunsch erfüllen, du musst nur fest dran glauben“.
„Mach ich und danke, Christkind“ Jenny nahm den kleinen Jungen in die Arme und drückte ihn fest an sich.
„Bis bald Ben und fröhliche Weihnachten“
Jenny verließ das Haus und ging eilig weiter in ihre Straße. Sie hatte plötzlich eine solche Sehnsucht nach ihren Eltern und freute sich auf die Wärme und Geborgenheit die sie dort erwartete. So muss Weihnachten sein, dachte sie und hoffte, dass der kleine Ben seinen größten Wunsch erfüllt bekam.


Eine wichtige Botschaft

Der heilige Nikolaus verstaute die letzten Päckchen auf seinen Schlitten, zurrte das Seil fest und stieg auf seinen Kutschbock. Seine Rentiere waren gefüttert, gestriegelt und schnaubten mit freudiger Erwartung Dampfwolken in die eisige Nacht.
„Seid ihr bereit meine Freunde?“ rief er laut  und die braven Tiere nickten. Sie kannten ihre Bestimmung und ihr Herr war ein guter Mann der  eine wunderbare Aufgabe hatte. Er machte die Menschen, besonders die Kinder glücklich.

Mit großem Gebimmel sausten die Tiere über das blanke Eis und nahmen immer mehr Fahrt auf. Der Nikolaus blinzelte und plötzlich hoben sich die Tiere in den Himmel, gewannen immer mehr an Höhe und flogen im Galopp durch die Nacht. Die Sterne funkelten am Himmelszelt und als das Schlittengespann ihre Flughöhe erreicht hatte, schwebte sie lautlos und leicht wie Schneeflocken dahin.

Der Nikolaus war nach einiger Zeit etwas eingenickt. Er konnte seinen Tieren vertrauen, sie kannten den Weg. Plötzlich wurde das Gespann unruhig und der Nikolaus war sofort hellwach.
Er sah gleich warum seine treuen Gesellen Alarm schlugen. Weit unten im Eismeer trieb eine lose Eisplatte mit zwei kleinen Eisbären. Die Eisbärenmutter schwamm aufgeregt daneben her, sie wollte die Kleinen wieder Richtung Ufer treiben, war aber bereits  zu erschöpft. Schnell zog der heilige Mann an den Zügeln und die Rentiere schwebten in einer schrägen Linkskurve hinunter zu der Familie im Wasser.

Mit viel Gefühl dirigierte der Nikolaus sein Gespann und  bald berührten die Hufen der Rentiere sanft  die Wasseroberfläche und sie galoppierten vorsichtig  los. Das Wasser bewegte sich  in sachten Wellen und die Eisplatte mit den kleinen Eisbären trieb zum Ufer zurück.

Die Kleinen sprangen sofort auf sicheren Boden und warteten dort mit großem Geschrei auf die Mama. Als diese sich müde aus dem Wasser zog, sprangen sie auf sie zu und erdrückten sie fast vor Freude.

Der Nikolaus und seine Rentiere waren sehr froh, dass sie der kleinen Familie helfen konnten.

„Ich danke dir von Herzen, du guter Gesell“  sagte die Eisbärenmama ehrfürchtig. „Meine Kinder spielten und plötzlich brach das Eis und sie trieben fort. Es ging alles so schnell. Das Eis wird immer gefährlicher. Irgendetwas stimmt nicht. Es ist, als löse sich unser Lebensraum auf. Seid die Menschen uns jagen, beobachten und stören, passieren diese Dinge“.
Der Nikolaus nickte traurig. „Ich weiß, es wird sich vieles für euch ändern. Ihr müsst vorsichtig sein und euch bereithalten. Wenn die Menschen ihr Verhalten nicht ändern, seid ihr in Gefahr. Ich bringe jedes Jahr eine Botschaft der Besinnung und bete für euch alle. Die Kinder der Menschen sind meine größte Hoffnung und wenn diese erkennen um was es im Leben wirklich geht, dann habt auch ihr eine Chance.“

„Dann wünsche ich dir, dass deine Eingebung  in die Köpfe der Menschen dringt und wir alle wieder auf eine gute und sichere Zukunft hoffen dürfen. Leb wohl“ sagte die Eisbärin mit traurigen Augen. Der Nikolaus winkte zum Abschied und schnell wie der Wind trieb er seine Tiere zurück in die dunkle Nacht.  Jetzt war die Zeit gekommen und er musste sich beeilen.  Er hoffte so sehr die Kinder nicht nur mit Süßigkeiten zu erfreuen, sondern ihnen  seine wichtigste Botschaft zu überbringen. Ihre Zukunft.


Eitelkeit und Festlichkeit

Auf einem Gutshof lebten Menschen und Tiere friedlich zusammen. Es gab dort einen Hund und Katzen, Pferde und einen Pfau mit seinem Harem.

Der Pfauenmann war herrlich anzusehen. Seine Schleppe schillerte in der Sonne und wenn er ein Rad schlug blieben alle staunend stehen und bewunderten ihn. Er war eitel, stolz und duldete keine Konkurrenz. Nebenbuhler waren unerwünscht.

Zur Adventszeit stellten die Gutshofbesitzer einen Tannenbaum in den Hof. Der Baum war groß, dunkelgrün und ebenmäßig gewachsen. Der Pfau beobachtete das Schauspiel ohne großes Interesse, er stellte lieber einer seiner Damen nach.

Eines Nachts hatte es geschneit und früh morgens war alles weiß, wie mit Puderzucker bestäubt. Der Gutsherr und seine Kinder kamen mit einer großen Kiste in den Hof und begannen die Tanne zu schmücken. Nach einiger Zeit wurde aus dem schlichten Baum ein wunderschön geschmückter Christbaum, mit goldenen Kugeln, Strohsternen und einer Lichterkette. Spätestens jetzt hatte auch der Pfau Interesse gezeigt. Als die Menschen wieder im Haus verschwunden waren, stolzierte er auf die prächtige Tanne zu.

Wie war das möglich? Wo kam plötzlich dieser Angeber her? Stand hier mitten im Hof und glitzerte und funkelte das einem fast schwindelig wurde. Der Pfau blies sich empört auf und stellte seine Federkrone auf. Los du Wichtigtuer, zeig mal was du kannst. Er pickte auf eine der Kugeln und als er darin sein Spiegelbild sah, bekam er einen riesen Schreck. Sofort ging er auf Angriff und stellte sein Rad auf. Wie ein riesiger Fächer wedelte er auf und ab und versuchte dem vermeintlichen Gegner damit Angst einzujagen.

Die Tanne rührte sich nicht vom Fleck. Milde Sonnenstrahlen ließen ihre Kugeln schimmern und die Strohsterne bewegten sich leicht im Wind. Der Pfau spürte dass sich sein Gegner nicht provozieren ließ und nach einiger Zeit beruhigte er sich und schritt hochmütig von dannen.

Als die Dämmerung einsetzte und die Kerzen auf unserem Christbaum zu leuchten begann, bekam unser Pfauenmann erneut einen Stich in sein stolzes Herz. Der Baum strahlte und glänzte in der Winternacht wie in einem Märchen.

So nicht Kamerad, du willst Ärger, den kannst du haben. Erneut attackierte er den vermeidlichen Nebenbuhler mit Kampfgebärden, Radschlagen und als Zugabe ließ er einen schrillen Schrei los. Aber wieder bekam er keine Beachtung oder einen Gegenangriff. Die Tanne stand still in ihrem Festkleid und ihr sanftes Licht umhüllte sie wie mit einem Heiligenschein.

Unser eitler Protz verlor nach einigen Minuten seine Energie und er gab auf. Die bescheidene Schlichtheit ließ ihn verstummen. Er drehte sich pikiert um und stolzierte zurück in seinen Bau.

Der Christbaum wartete auf seinen großen Tag mit bescheidener Festlichkeit und seine Ausstrahlung brachte Besinnung und Freude zur Heiligen Nacht.

 


Der Weihnachtsteller
Als ich zusammen mit meinen gleich aussehenden Kollegen in den bunten Weihnachtsteller gelegt wurde, war mir schnell klar, jetzt heißt es warten und reifen bis zum Fest. Ich roch herrlich nach Butter und Rum und meine Zuckerglasur stand mir besonders gut.

"He" rief ein dicker Marzipankartoffel neben mir "mach dich nicht so breit."
"Du musst reden", beschwerte sich eine herrlich aussehende Kokosmakrone rechts von mir, "du machst dich doch breit wie ein fetter Christstollen". Sie lächelte mir freundlich zu und ich strahlte zurück. Was wäre wohl, träumte ich, wenn wir unsere Zutaten zusammenmischten?
Es käme bestimmt etwas besonders süßes heraus.
 
Ich sah mich um. Ein bisschen eng war’s schon auf diesem bunten Teller, aber die Farbenpracht und der Geruch waren einmalig. Ich freute mich schon auf den großen Tag. Wenn eine kleine Kinderhand nach mir greift und mich genussvoll verschlang.
Das war eben für uns Plätzchen die Krönung. Meine nette Kokosmakrone neben mir war eingeschlafen. Ihr zarter Duft machte mich ganz schwindelig.
 
"Bist du neu hier"? Ich äugte nach links oben von wo diese tiefe Stimme kam und schaute auf den wohl best gelungensten Gewürzlebkuchen aller Zeiten.
Er trotze nur so vor Korinthen, Rosinen und Schokostückchen.
"Ja, ich bin noch ganz warm" sagte ich.
"Du siehst sehr appetitlich aus, so rund und saftig" lobte er mich.
"Danke, aber nichts gegen dich. Du bist fantastisch." Der Lebkuchen räkelte
sich richtig unter meinem Kompliment. "Stimmt ich bin wirklich gut gelungen.
Die Hausherrin probierte ein neues Rezept. Sie hat sich sehr viel Mühe gegeben".
 
"Ach Papperlapapp" schimpfte der dicke Marzipankartoffel auf ein Neues, "Ihr mit eurem Geschwätz. Spätestens bis zum 2. Weihnachtsfeiertag werdet ihr einfach in volle Bäuche gestopft und keiner wird sich mehr an eure Aussehen erinnern, oder an eurem Geruch. Ihr seid eingebildete Narren."
"Vielleicht hast Du recht", pflichtete ich ihm bei, "aber unsere Aufgabe ist es nun mal gut auszusehen und zu schmecken."
"Wenn du so weiter meckerst", lachte ein Butterplätzchen schräg oben von uns, "wird dich keiner mehr vernaschen, weil du nämlich bis dahin sauer geworden bist."
 
Wir lachten alle schallend und der Marzipankartoffel wurde ganz dunkelbraun vor Wut. Meine süße Kokosmakrone war aufgewacht und hatte uns eine Weile wortlos zugehört.
"Versteht Ihr denn den Sinn dieses Festes überhaupt nicht? Es geht doch nicht darum, wer am besten gelungen ist , die schönste Farbe hat und am leckersten schmeckt. Oder wer den besten Platz im runden Teller hat. Wichtig ist nur, dass wir alle wie wir hier liegen, Freude bereiten und dazu beitragen, dass es ein gelungenes und frohes Fest wird.

Und wenn wir uns bis dahin alle vertragen werden sich unsere Aromen vermischen und wir alle werden unvergesslich schmecken. " Es wurde sehr still im buntgemischten Weihnachtsteller. Der Marzipankartoffel rutschte noch ein bisschen weiter nach unten, aber er sagte nichts mehr. Die anderen nickten zustimmend.

Ich schaute stolz auf meine kleine Kokosmakrone, denn was sie gerade sagte ist das beste Rezept was je geschrieben wurde.

Der Weihnachtsteller

Kulinarische Weihnachtsgeschichten
Dr. Ronald Henss Verlag
ASIN B005ZRE73E
eBook Amazon Kindle Edition
 
 
 

Das kleine Kätzchen und der Nikolaus
Ein kleines Kätzchen lag eingerollt auf einer Stufe eines alten Hauses. Sein kleiner Bauch hob sich langsam auf und ab.

Die vielen Füße mit den dicken Winterschuhen die an dem Kätzchen vorbeilaufen bemerkte es nicht.
Es hatte leicht angefangen zu schneien und ein kalter Wind pfiff um die Häuserecken.
Das grauweiße Kätzchen schlug die Augen auf und steckte die Nase in die feuchte Luft. Kalt ist es geworden und es gab heute noch nichts zu fressen. Es streckte sich und beobachtete die vielen Menschen die hektisch und schnell durch die Straßen liefen.
So eine Kälte kannte es nicht, denn es war erst im März geboren worden und bei der Mutter mit all den vielen Geschwistern war es herrlich warm gewesen. Der Geruch der Milch die es regelmäßig zu trinken gab stieg ihm in die Nase und es leckte sich das kleine Maul.
 
Schön war es da gewesen, aber plötzlich waren die Geschwister weg und die Mutter hatte sich nicht mehr um es gekümmert. Das war eine schlimme Zeit gewesen, auf einmal mußte sich das Kätzchen selbst Nahrung suchen und die Geborgenheit der Familie fehlte ihm sehr.
Immer weiter lief es von dem Ort der zerronnenen Behaglichkeit fort und landete an einem Platz wo es viele Häuser und Menschen gab. Dort war es laut und gefährlich, große brausende Gegenstände wechselten schnell und das Kätzchen mußte oft einen riesigen Satz machen um einem rollendem Ungeheuer auszuweichen.
 
Es gab zwar viele Mäuse und Reste von Fressen in großen Behältern, aber gemütlich war das nicht.
Auch die Revierprobleme der bereits einheimischen Katzen war immer wieder ein großes Problem. Ständig gab es Auseinandersetzungen und Raufereien bei dem auch mal Blut floß.
Das Leben war schwierig und gefährlich geworden und nur in ihren Träumen konnte das kleine Kätzchen noch Freude empfinden.
Und jetzt war es auch noch kalt geworden. Die Nässe kroch sich unters Fell und einen warmen Schlafplatz zu finden wurde immer schwieriger.
 
Traurig und mit knurrendem Magen schlich das Kätzchen die graue Hausmauer entlang. Die weißen Flocken die jetzt wild umher tanzten legten sich auf sein Fell und färbten es weiß.
Ein großer weißer nasser Ball flog ihm entgegen und zerplatze auf seinem Kopf. Das Kätzchen duckte sich ängstlich und hörte lachende Kinderstimmen an sich vorbeilaufen.
Es schüttelte sich und die kalte Masse fiel zu Boden. Überall brannten schon Lichter und die Dunkelheit breitete sich langsam über die Stadt. Jetzt mußte ein halbwegs warmer Schlafplatz gefunden werden und vielleicht lief ihm eine unvorsichtige Maus über dem Weg. Das wäre mal ein Glück. Aber die gewieften Stadtmäuse hatten längst die Taktik der Katzen erkannt und versteckten sich wohlweislich in ihren tiefen Löchern.
 
Die vielen dunklen und unheimlichen Gänge der nassen Straßen machten ihm immer wieder Angst.
Mutlos setzte es sich kurz auf den Randstein und schnaufte tief durch.
Still war es geworden und kein Licht brannte mehr. Es schien, als würden alle Häuser verschwunden und kein Geräusch war zu hören.
 
Plötzlich sah es in einer nahen Querstraße ein helles Licht leuchten.
Das war so hell, daß das Kätzchen die Augen zuzwinkern mußte. Vorsichtig setzte es eine Pfote vor die andere und schlich in die Nähe der ungewohnten Helligkeit. Sein Herz klopfte wild doch eine angeborene Neugier ließ sich nicht verleugnen.
Als es um die Ecke lugte woher das merkwürdige Licht kam glaubte es seinen Augen nicht zu trauen.
Das Licht schien wie ein Kreis und in dem Kreis saß ein dicker Mann mit einem langen, weißem Bart und einem rotem Mantel und neben ihm stand eine Kutsche und daran waren große Tiere eingespannt. Er hatte die Hand an der Stirn und schüttelte ständig den Kopf und murmelte:
 
„Ohje, ohje, ohje, ohje“.
 
Um ihm herum lagen lauter Spielsachen kunterbunt durcheinander. Da gab es Puppen, Stofftiere –auch eine rote Stoffkatze war darunter -, Naschwerk und vieles mehr. So viele herrliche Sachen hatte das Kätzchen noch nie gesehen.
Der dicke Mann hielt eine alten Leinensack in die Höhe und sagte zu den komischen Tieren vor seiner Kutsche.
„Ihr wart eindeutig zu schnell. Ihr seid ja in die Kurve gegangen als wäre heute schon Silvester. Jetzt haben wir den Salat. Bis ich den Sack wieder gefüllt habe ist es ja bereits hell und dann können wir sehen wie wir das schaffen.“
 
Die braunen Tiere mit den großen Hörnern standen betreten da und steckten die Köpfe zusammen.
Es war ihnen anscheinend sehr peinlich.
 
Das Kätzchen konnte sich gar nicht satt sehen an diesen vielen Herrlichkeiten. Wie schön mußte das sein, mal wieder so richtig ungezwungen zu spielen und etwas so richtig zu zerfetzen, sowie es immer mit den Geschwistern gewesen war. Das Licht strahlte eine wohlige Wärme aus und das Kätzchen hätte sich gerne in mitten der Spielsachen gesetzt und nur geschaut.
 
Aber der fremde Mann war sehr ungehalten und schüttelte weiter pausenlos den Kopf.
 
Vielleicht schleiche ich mich einfach mal heran und verstecke mich unter dem großen Teddybären, dachte es mutig. Der Mann dreht ihm sein dickes Hinterteil zu und war ganz vertieft darin, einer Puppe das lange blonde Haar zu entwirren.
Kätzchen machte einen kleinen Sprung und kroch ganz leise unter den großen braunen Bären. Er hatte ein dickes, weiches Fell und er erzeugte eine wunderbare Wärme. Mit weit geöffneten Augen beobachtete es den großen Mann der –es traute kaum seinen Ohren- ein kleines Liedchen vor sich her sang.
„Morgen Kinder wird’s was geben, morgen werden wir uns freuen. Welch ein Trubel, welche ein Leben, wird in unserem Hause sein. Einmal werden wir noch wach, heißa dann ist Weihnacht“.
 
Die Ohren des kleinen Kätzchens standen ganz hoch. Das war sehr schön was der dicke Mann da sang. Aber was war denn bitte sehr Weihnacht? Was zum Fressen? Oder heißen die Tiere vor der Kutsche Weihnacht?
Es überlegte, ob es dieses Wort schon mal gehört hatte, aber meistens hörte es nur „geh weg“ oder bekam einen Tritt.
Durch die Wärme und den Gesang des alten Mannes begann sich unser Kätzchen sehr wohl zu fühlen. Es entspannte sich und legte die Ohren an. Die Pfoten steckte es unter den Körper.
War das gemütlich, dachte es. Ich bleibe noch ein bißchen und dann verschwinde ich wieder, nahm es sich vor.
Die Augen wurden ihm immer schwerer und eine bleierne Müdigkeit breitet sich in seinem Körper aus. Nein, nein ich döse nur ein wenig, ich habe alles im Griff.
 
Das dachte es sich zumindest denn plötzlich wurde es von einer riesengroßen Hand hochgehoben und in den Sack gesteckt. Voller Angst und zu Tode erschrocken durch den leichten Schlaf machte das kleine Kätzchen einen Purzelbaum und versank immer tiefer in den großen dunklen Käfig. Die Krallen tief in den Teddybären gebohrt verharrte es voller Entsetzen in der Dunkelheit. Immer mehr Gegenstände fielen auf seinem Kopf und wurden mit der großen Hand in den Sack gestopft.
 
Oh nein, was ist nur passiert. Ich bin doch ganz wach gewesen, jammerte das kleine Kätzchen.
Wie komme ich da bloß wieder raus?
Aber das war nicht so einfach, denn der große Sack wurde mit einer Kordel verschnürt und auf einmal flog der Sack samt Inhalt in die Luft und fiel auf einen harten Boden. Gott sein Dank war der Teddybär dick gepolstert, denn sonst hätte sich unser Kätzchen ganz schön weh getan.
Aber damit war noch lange nicht alles zu Ende. Plötzlich gab es einen Ruck und alles war in Bewegung. Immer schneller und schneller wurde es und das Kätzchen hörte die Stimme des Mannes laut rufen.
„Los auf geht’s, keine Müdigkeit vorschützen wir haben Zeit aufzuholen“.
 
Es gab ein zischendes Geräusch und irgendwie wurde es dem Kätzchen plötzlich ganz leicht als würde es schweben und durch die Luft fliegen. Aber das kann ja nicht sein, Katzen können nicht fliegen und Menschen doch eigentlich auch nicht. Zumindest hatte es so was noch nie erlebt.
Doch es war so.
 
Der große Sack ruckelte und wackelte und das erste Mal in seinem jungen Leben war unser Kätzchen froh, daß es noch nichts gefressen hatte, denn sonst würde ihm jetzt furchtbar schlecht werden.
Die Krallen fest in den Teddy verkeilt starrte es angstvoll in die Dunkelheit und sein kleines Katzenherz schlug ihm bis zum Halse.
Das war wirklich das sonderbarste, was es bis jetzt erlebt hatte. Nicht mal die Schlägerei mit dem schwarzen Tyrannen der in der Straße mit den vollsten Mülltonnen wohnte konnte es damit aufnehmen.
Immer höher und schneller ging es und das Kätzchen verlor bald jedes Zeitgefühl. Wahrscheinlich werde ich jetzt sterben? Schade, ich hatte doch noch so viel vor.
Traurig schloß es die Augen und krallte sich wieder fester in das weiche Fell des Teddybären.
 
Doch was war das? Plötzlich stand alles still. Es gab ein dumpfes Geräusch und der große Sack wurde hochgehoben. Wieder wurde unser Kätzchen ein wenig geschüttelt, aber nicht mehr so stark wie am Anfang. Es glaubt auch Stimmen zu hören und wärmer war es auch wieder geworden.
 
Kätzchen spitzte die Ohren und hörte was da draußen los war.
 
„Hallo liebe Kinder, wißt ihr denn, wer ich bin“ fragte die dunkle Stimme des großen Mannes.
Kätzchen hatte es gleich wieder erkannt.
 
„Du bist der Nikolaus“ schrien aufgeregte Kinderstimmen durcheinander.
 
Nikolaus, dachte das Kätzchen, schon wieder so ein fremdes Wort. Aber wenigstens wußte es jetzt, wie der große Mann mit Namen hieß.
 
„Das ist richtig, und weil ihr brav gewesen seid, habe ich euch auch etwas mitgebracht.“
 
Der Nikolaus öffnete den Sack und griff mit seiner großen Hand hinein. Er erwischte die blonde Puppe die knapp neben unserem jetzt wieder sehr ängstlichen Kätzchen lag.
 
„Die ist für dich, weil du ganz besonders fleißig in der Schule warst.“ sagte der Nikolaus freundlich.
 
„Vielen Dank, lieber Nikolaus“ bedankte sich eine artige Stimme.
 
„Und was bekomme ich“ rief eine helle Stimme ungeduldig dazwischen.
 
„Sei doch ruhig, du kommst auch noch dran“ Das klang so ähnlich wie die Stimme des Nikolaus, aber doch ein bißchen anders. Wieviele wollten denn da noch Geschenke? dachte das Kätzchen nervös.
 
„Für dich habe ich ganz was Schönes dabei“ lachte der Nikolaus
 
Wieder fuhr die große Hand in den Sack. Oh Schreck sie packte nach dem braunen, dicken Teddybären, an welchem unser Kätzchen so angstvoll klammerte.
Nein, nein, schrie es innerlich, und krallte sich noch mehr in das Fell und plötzlich gab es einen Ruck und Kätzchen war aus dem Sack und landete in zwei kleinen Kinderarmen.
 
Das war vielleicht ein Anblick.
Alle schauten mit großen Augen auf das kleine Kätzchen, welches sich am liebsten in den Teddybären hinein verkrochen hätte.
 
Der Nikolaus, die Eltern und das kleine Mädchen schauten verdutzt auf den kleinen Jungen der sein „Geschenk“ in den Armen hält.
 
„Eine Katze“ rief er freudig, „und ein Bär, gleich zwei Geschenke“.
 
„Da stimmt aber was nicht“ murmelte der Nikolaus stirnrunzelnd, „das stand nicht auf meiner Wunschliste“.
 
Auch die Eltern der Kinder schauten völlig entgeistert, erst auf die Katze und dann auf den Nikolaus.
 
„Ist die süß“, sagte das kleine Mädchen und streichelte liebevoll das Fell des Kätzchens.
 
„Schau mal sie hat ja Angst“. Die Mutter nahm unser Kätzchen, was noch völlig verängstigt an dem Teddy hing vorsichtig in den Arm und kraulte ihm das Köpfchen.
 
„Tja das ist zwar nicht ganz das was wir bestellt hatten, aber so ein hübsches Tierchen geben wir natürlich nicht mehr her. Dich schickt ja förmlich der Himmel zu uns.“ lachte die freundliche Frau und dann lachten alle.
Noch nie hatte Kätzchen so liebevolle Streicheleinheiten bekommen. Es begann sich zu entspannen und schnurrte ganz leise.
 
Die ganze Familie stand jetzt um den unfreiwilligen Gast und beobachteten das kleine Kätzchen.
Der Nikolaus legte seine große Hand auf sein Köpfchen.
 
„Ich bin mir zwar noch nicht sicher, aber ich kann mir schon denken wo ich dich aufgelesen habe. Hier wird es dir bestimmt gut gehen kleines Kätzchen.“ schmunzelte der Nikolaus
 
Ihr könnt euch sicher denken, wie überrascht unser Kätzchen war als es von allen Seiten gestreichelt und geherzt wurde. Das erste Schüsselchen voller warmer Milch schmeckte wundervoll und die Erinnerungen an die frühere Zeit mit der Mutter und den Geschwistern stiegen wieder in ihm hoch.
 
Und als sich der Nikolaus später verabschiedete und mit lauten Gebimmel von dannen fuhr, stand unser Kätzchen dankbar und glücklich am Fenster und schaute zu wie sich die große Kutsche mit den vielen braunen Tieren in die Luft schwang und langsam am Horizont verschwand.
 
Es hatte wieder leicht angefangen zu schneien und als sich unser Kätzchen vom Fenstersims ins heimelige warme Wohnzimmer mit dem großen geschmückten Baum und den Geschenken und den vielen Menschen die alle so lieb zu ihm waren begab, da dachte es sich, wenn das Weihnachten ist, dann ist es das schönste, was ich je erlebt habe.
 
 
 
 
Das Weihnachtsglühwürmchen
Der Winter hatte Einzug gehalten. Und es lag dieser gewisse Zauber in der Luft, der die Weihnachtszeit begleitet. In der frostigen Erde schlummerten eng zusammengekuschelt und mucksmäuschenstill viele kleine Glühwürmchenlarven und träumten von dem nahen Frühling. Die Sonne strahlte vom tiefblauen Himmel und verkündete den Weihnachtstag.
 
Doch schliefen wirklich alle Larven? Da bewegte sich doch was. Eines davon litt an chronischem Schlafmangel. Irgendwie wollte es nicht klappen mit der Winterruhe. Es wurde ständig wach, schaute auf seine schlafenden Geschwister und begann sich zu langweilen. Warum dauert das denn noch so lange? Eigentlich wäre es bereit zu schlüpfen. Und so hell war es hier. Es beschloss die Zeit zu nutzen und unbemerkt von seinen schlafenden Mitlarven die vermeintlich kleine Welt zu erkunden. Es spürte dass es sich nur noch einmal richtig strecken musste und schon würde es seine ganze Pracht entfalten. Ungeduldig zappelte es vor sich hin und seine Brüder und Schwester fingen an sich zu rühren. Bloß nicht aufwecken, dachte es und bohrte sich langsam durch die kalte Erde in das strahlende Licht.
 
Als es mit seinem kleinen Köpfchen durch die harte Masse stieß, fühlte es plötzlich ein kaltes, ungewohntes Nass. Es schaut in die Sonne und ließ sich sein Köpfchen wärmen. Es nahm einen tiefen Atemzug ungewohnt frischer Luft und krabbelte vorsichtig durch den Schnee. Doch es war eindeutig zu kalt, das stand fest – Sonne hin oder her. Es besann sich umzukehren, um sich an seinen Artgenossen zu wärmen. Aber trotz der Kälte hatte der Schnee im Sonnenlicht eine magische Anziehungskraft. Alles sah so frisch und glänzend aus.
 
Es beschloss, einen kleinen Spaziergang zu machen, bevor es in sein Nest zurück krabbeln wollte und machte sich auf den Weg. Die Büsche und Bäume im Garten waren verschneit und der Käfer wagte einen mutigen ersten Flugversuch nach oben.
Hoho, das funktionierte aber noch nicht. Noch mal, los geht’s, dachte es  und plötzlich klappte es seine kleinen Flügel aus und erhob sich federleicht in den Himmel. Was für ein Gefühl. So hatte es sich das immer vorgestellt. Das weiße Zeug war ja ganz nett, wenn nur diese lausige Kälte nicht gewesen wäre. Taumelig und schwankend flog das Würmchen in Richtung einer Tanne und ließ sich auf deren Zweig nieder. Völlig außer Puste musste das Würmchen erst mal verschnaufen.
 
Wie schön es war draußen zu sein. Stolz putze er seine Flügelchen und blinzelte in die Sonne. Das warme Licht machte ihn aber träge und so kam es, dass es ganz langsam einnickte und in tiefen Schlummer versank.
 
Halb steif gefroren wurde es wach und erschrocken blickte der kleine Käfer um sich. Stockdunkel war es auf einmal und eisig kalt. Es konnte sich nicht erklären, warum die Sonne so plötzlich verschwunden war. Schnell zurück in die Kinderstube, dachte es, erhob sich und flog wirr in der Dunkelheit umher. Wo war der Eingang zu seiner Heimat? Doch dann, plötzlich, sah es in der tiefen schwarzen Nacht einen schwachen Lichtschimmer. Er flog unsicher auf das Licht zu, welches immer heller und heller wurde. Magisch angezogen hörte es Stimmen und einen seltsamen Singsang.
 
 War es ein Impuls, Instinkt oder ähnliches, unser Würmchen schaltete automatisch seine Laterne an – klick - und machte sich auf den Weg.
 
Das kleine Käferchen flog direkt zum Haus der Familie Schweiger. Mama, Papa, Tochter und Großeltern hatten gut gespeist und getrunken und die Kerzen am Christbaum angezündet. Sie sangen „Stille Nacht“ und freuten sich auf die Bescherung.
 
Mama Schweiger hatte die Terrassentüre leicht geöffnet, damit frische Luft herein kam. Genau durch dieses Fenster surrte das Käferchen, angezogen durch das für ihn unermesslich erscheinende Lichtermeer. Es schwirrte durch den Raum als plötzlich die kleine Tochter schrie: „Ein Glühwürmchen! Schaut nur!“ und deutete aufgeregt auf das verirrte Tier.
 
„Das gibt’s doch nicht im Winter, ja so was“ staunte die Mama und alle starrten auf den kleinen Käfer, der magisch vom Christbaum angezogen auf ihn zuflog. „Schnell, macht die Kerzen aus, sonst fliegt es noch in die Flammen!“ Papas Stimme überschlug sich. Die Familie stürzte auf den Baum zu und losch die flackernden Kerzen.
 
„Wir wünschen uns jetzt alle Gesundheit und Frieden. Das ist ein besonderes Zeichen heute am heiligen Abend“ sagte die Mama gerührt und alle nickten ergriffen.
 
Das Glühwürmchen sah nur wieder Dunkelheit und flog völlig verwirrt im heimeligen Wohnzimmer herum. Wo war es nur, es war doch alles so hell und jetzt leuchtet nur noch mein Hintern, dachte es. Es glaubte zu träumen.
 
„Wir machen das Terrassenlicht an, dann findet es hoffentlich wieder raus“ meinte die Oma und lief zum Lichtschalter in den Flur. Opa hingegen, der kein Verächter eines guten Schluckes war und bereits ordentlich Alkohol intus hatte, starrte auf das kleine Irrlicht.
„Schaut nur ein Glühweinchen“ nuschelte er und zeigte mit dem Finger auf das Licht.
 
Alle lachten den beschwipsten Opa aus und sahen erleichtert, dass sich das Glühwürmchen Richtung Fenster und nach draußen begab.
 
„Pass auf dich auf, kleines Glühwürmchen und Danke“ rief die Tochter und winkte ihm in der Dunkelheit hinterher.
 
Unser Glühwürmchen flog erleichtert in die frische Luft und weil die kleine Laterne in seinem Hintern hell genug leuchtete, sah er auch wieder die Stelle wo er aus der Erde gekrochen kam. Jetzt aber schnell nach Hause, so ein Tumult ist eindeutig zuviel, dachte es, und wurde schlagartig müde, aber so richtig müde. Und schwups, landete es am Eingang seiner Behausung. Eilig krabbelte es mit seinen Beinchen in die Erde hinein und schlüpfte zu seinen Geschwistern. Es schmiegte sich mitten in die schlafende Menge und schloss erleichtert die Augen.
 
War das aufregend, dachte es, ich habe soviel gesehen, und gleich ein Abenteuer erlebt. Mein Hintern leuchtet in der Dunkelheit, so was aber auch.
Da kann ich aber was erzählen wenn die anderen aufwachen freute es sich.
Oder hatte es das alles doch nur geträumt?
 





Der verschnupfte Christbaum
Im Försterbetrieb ging es zu wie im Taubenschlag. Meine Freunde die Blautannen, Fichten und Föhren lagen oder lehnten aneinander in Reih und Glied und warteten verkauft zur werden. Es gab nichts Schlimmeres für einen Baum wurzellos in der Kälte zu sterben. Kein Baum will sterben. Ich übrigens auch nicht. Vor einem Jahr wurde ich in einen Topf gepflanzt und stehe seid dem auf der kleinen Terrasse des Verkaufsladens des Försters. Die gefällten Bäume vom letzten Jahr verschwanden damals spurlos und wir da gebliebenen ahnten nichts Gutes.
 
Es wurde wieder kalt und wieder wurde gefällt. Es kamen Massen von Menschen und kauften die Nadelbäume, klemmten sie unter den Arm, warfen sie in den Kofferraum ihrer Autos und fuhren weg, auf Nimmerwiedersehen.
Was geschah mit ihnen, dachte ich unruhig. Irgendwie hatte ich ein ungutes Gefühl. Neugierig beobachtete ich die Hektik und hoffte dass bald alles vorbei war. Mein Förster gab sich gut gelaunt, die Kasse klingelte und den ganzen Tag spielte nadelzerreißende Musik aus dem Radio.
 
Seid gestern fühlte ich mich überhaupt nicht wohl. Mir war kalt in meinem Topf und meine Nadeln fühlten sich taub an. Mich fröstelte und es war ungemütlich.
Ein junger Mann kam abgehetzt zu dem Förster und fuchtelte mit seinen Armen rum während er redete und sein kalter Atmen stieß aus seinem Mund wie der Dampf einer alten Lok. Der Förster schüttelte den Kopf. Er suchte wohl noch einen schönen Baum, aber die besten waren bereits verkauft. Es lagen nur noch buschige oder krumme Kameraden rum und die wollte keiner.
„Nehmens den“. Der Förster zeigte auf mich. Um Himmels Willen. Bitte nicht, ich wohne hier und will nicht sterben.
Es half nichts. Ich wurde bezahlt, hochgehoben und in ein kleines Autos verfrachtet. Wir fuhren endlos durch holperige Strassen und ich wurde schlimm durchgerüttelt.
Krank wie ich mich fühlte wurde mir jetzt auch noch schlecht.
 
Irgendwann hatte die Fahrt ein Ende und ich wurde aus dem Auto gehoben und ein enges Treppenhaus hoch getragen. Der Mann war völlig fertig als er mich endlich in eine Ecke eines kleinen Zimmers stellte.
„Du bist ganz ok, wenigstens bist du nicht schief“ begutachtete er mich und drückte meine Zweige nach unten. Er holte einen kleinen Schemel und stellte mich darauf.
„Sehr schön, geschmückt wirst du später. Heut darf nichts schief gehen denn es gibt eine große Überraschung, jetzt noch schnell einkaufen“ sprach’s und weg war er.
Die ganze Aufregung saß mir noch in den Nadeln und es fröstelte mich wieder obwohl es warm war im Zimmer. Ich wurde leicht müde und döste ein.
 
Helles Licht weckte mich und der junge Mann kam mit einer großen Holzkiste auf mich zu, hinter ihm eine junge Frau. Sie lachte und klatschte in die Hände.
„Der ist wirklich hübsch, genauso einen Baum hätte ich auch gekauft“, strahlte sie und gab dem Mann einen Kuss auf die Wange.
„Wenn er nicht eingeht können wir ihn nach den Feiertagen auf den Balkon stellen.“ Er öffnete die Kiste und nahm eine rot schimmernde Glaskugel raus und hängte sie mir an einen Zweig.
 
Na so was, was macht der denn? Neugierig sah ich dem seltsamen Treiben zu.
 
Beide behängten mich weiter mit Glaskugeln, kleinen Holzfiguren, einer goldenen Kette und zum Schluss bekam ich noch einen riesigen Stern auf mein Haupt gesteckt.
 Zufrieden schauten mich die beiden an.
„Das ist der schönste Baum den wir je hatten“ freute sich die Frau.
Vorlauter Lob und die Aufregung bekam ich ein gewaltiges Jucken in den Nadeln und nieste was das Zeug hält.
„Oh Gott was war das denn“ rief sie und packte den Mann ängstlich am Arm, „hoffentlich ist kein Tier im Topf, womöglich einen Maus.“
 Nana Gnädigste, das würde ich aber merken. Ich habe leider einen Schnupfen, erklärte  ich aber sie hörten mich natürlich nicht.
Der Mann begann an mir zu zerren und zu ziehen.
„Da ist nichts, schau er ist ganz sauber und nirgendwo krabbelt es.
Vorsichtig beäugte mich die Frau. Jetzt bloß keinen weiteren Niesanfall sonst schmeißen die mich noch raus.
„Die Kerzen machen wir abends drauf, jetzt gehen wir kochen. Sie räumten die leer geräumte Holzkiste weg und verließen den Raum.
 
Kaum war die Türe zu kam von allen meinen Seiten ein lautes „Hallo“ „Das du noch dabei bist“ „Lange nicht gesehen“ „Alle Jahre wieder altes Haus“.
„Das war eine Vorstellung vom Feinsten“ wieherte ein kleines Holzschaukelpferd an meinem rechten unteren Zweig. „So einen Ausritt hatte ich schon lange nicht mehr“.
„Wenn sie am Abend die Kerzen anzünden musst du aber aufpassen sonst gibt es einen Zimmerbrand“ meinte ein besorgter Strohstern zu meiner linken.
„Ich bin erkältet, hoffentlich habe ich euch nicht erschreckt.“ Überall blinkte und glitzerte es um mich rum.
„Nicht so schlimm“. Eine rote Glaskugel funkelte mich freundlich an. „Morgen geht’s dir sicher schon besser. Du stehst in einem Topf, vielleicht sehen wir uns nächstes Jahr wieder? Es sei denn sie kaufen sich einen neuen Christbaumschmuck“.
„Viel hat sich nicht verändert seid dem letzten Jahr, alles steht noch an seinem alten Platz“ informierte der prächtige Weihnachtsstern auf meinem Haupt.
„Was ist denn das Weihnachten überhaupt, wie läuft das hier ab?“ fragte ich in die strahlende Menge.
„Wenn es dunkel wird, zünden sie die Kerzen an und singen Weihnachtslieder, sie beschenken und umarmen sich. Wir werden bewundert und nach zwei Wochen wandern wir wieder in die Holzkiste zurück und der Baum verschwindet“ erklärte die goldene Kette die sich anmutig um mich schlängelte.
„Keine Sorge“ beruhigte mich eine andere Glaskugel, „ du hast noch deine Wurzeln und wirst es überleben „ dein Vorgänger wurde glaube ich aus dem Fenster geworfen.“
Mir wurde kalt aber nicht von der Erkältung. Es klang alles gar nicht verlockend und ich dachte an meine Kameraden aus der Försterei die jetzt auch geschmückt und wunderschön aber wurzellos auf ihr trauriges Ende warteten.
„Es ist ein großes Privileg ein Christbaum zu sein. Eigentlich das schönste was einem Nadelbaum passieren kann. Schließlich werdet ihr nur für dieses Fest gezüchtet. Du solltest stolz sein, du bist ein Auserwählter“ belehrte mich der Weihnachtsstern.
„Er muss es wissen, er hat schon viele Weihnachten erleben dürfen, Dienstältester sozusagen“ zwinkerte mir das freche Schaukelpferd zu und wippte fröhlich auf und ab.
 Ein Auserwählter, dass klang alles so erhaben und vielleicht sollte ich den Zustand einfach genießen und mich daran erfreuen, dachte ich.
 „Die Frau wird bald reinkommen und sich was wünschen. Sie macht das schon drei Weihnachten lang“ sagte der Strohstern „Irgendwie wirkt sie immer trauriger“.
Die anderen nickten zustimmend.
 Genau in diesem Moment ging die Türe auf und die Frau kam in den Raum. Sie schloss leise die Türe und kam auf mich zu.
„Ich wünsche mir von ganzen Herzen, dass ich einen Heiratsantrag bekomme, das wäre immer noch mein größtes Geschenk.“ sagte sie leise.
In dem Moment überfiel mich ein heftiger Juckreiz und es schüttelte mich dass die Glaskugeln nur so bimmelten.
Erschrocken wich die Frau zurück.
Bitte verzeih mir, jammerte ich im Stillen, ich bin doch nur erkältet.
 
Die Frau faltete die Hände und sah auf die Zimmerdecke. „Lieber Gott, lass es ein Zeichen sein“ und verließ eilig das Zimmer.
„Super gemacht, du grüner Tollpatsch“ schimpfte ein dicker Holznikolaus, „jetzt ist sie sicher mit den Nerven fertig und ihr Wunsch wird auch wieder nicht in Erfüllung gehen, was immer sie auch will“ murmelte er in seinen angemalten Bart.
„Es tut mir so leid, ich konnte es nicht zurück halten. Seid ihr noch alle heil?“ erkundigte ich mich besorgt.
„Juppih, dass kam schon einem Galopp gleich“ schrie das Schaukelpferd begeistert.
„Ruhe jetzt, es geht los“ mahnte der Weihnachtsstern.
 
Der Mann und die Frau hatten sich auch heraus geputzt und begannen die Kerzen an mir anzubringen und anzuzünden. Sie sangen „Oh Tannenbaum“. In diesem Lied ging es um mich.
Danke, das war wirklich nicht nötig, freute ich mich gerührt und nahm mir fest vor nicht mehr zu niesen. Überall flackerte helles Kerzenlicht um mich rum und mir wurde richtig warm um die Nadeln vor lauter Freude.
 „Setz dich und mach dein Geschenk auf“. Der Mann überreichte der Frau ein kleines Päckchen. Sie errötete und öffnete ein kleines samtenes Kästchen.
„Oh ein Ring, wie wunderschön“.
 „Willst du mich heiraten?“ fragte der Mann und nahm die Hand der Frau.
„Ja ich will dich heiraten, mehr als alles andere auf der Welt“ sagte die Frau überglücklich
und lagen sich in den Armen und ließen sich nicht mehr los.
 In diesem Moment schüttelte mich noch einmal ein kleines „Hatschi“ und alle wurden wieder leicht durchgerüttelt.
 Der Mann und die Frau sahen mich an und lachten lautstark los.
„Was immer das bedeuten mag, für mich ist er ein Glücksbaum“ strahlte die Frau mit Tränen in den Augen.
„Wir lassen in besser nicht aus den Augen, sonst fackelt er uns noch die Bude ab“ grinste der Mann und nahm seine Liebste wieder in den Arm.
 Den restlichen Abend wurde gesungen, weitere Geschenke ausgepackt und als die beiden Verliebten die letzte Kerze ausbliesen war es schon sehr spät.
„Ich komme gleich nach “ sagte die Frau zärtlich und der Mann verließ das Zimmer.
 Die Frau setzte sich vor mich hin und lächelte.
„Ein wenig unheimlich bist du mir schon aber ich glaube du hast geholfen, dass es für mich das schönste Weihnachten geworden ist. Ich danke dir.“
 Leise ging sie aus dem Raum.
 „Ich glaube dass war dein Verdienst, ihr Wunsch ist in Erfüllung gegangen“ meinte der Strohstern, froh dass er nicht abgebrannt war. „So ein Schnupfen hat auch Vorteile“.
 „Habe ich dir nicht gesagt, dass es etwas ganz besonderes ist ein Christbaum zu sein?“ fragte mich der Weihnachtsstern.
 Ich nickte stolz. So war es und ich atmete tief und erleichtert durch.
 
 
 

Ein Eichhörnchen schenkt Weihnachtsfreude
Eine alte einsame Frau fürchtete sich dieses Mal vor Weihnachten. Da kamen die Leere und ihre Einsamkeit besonders zum Vorschein.
An diesem Tag waren aber alle Menschen freundlicher, geselliger und die Vorfreude auf das Fest strahlte in ihren Gesichtern. Sie feierten zusammen den Heiligen Abend. Die alte Frau sog diese Stimmung in sich auf, bei Einkaufen am tief verschneiten See wenn die Kinder Schlittschuh liefen und in der Weihnachtsmesse am Nachmittag mit dem Krippenspiel.
Da fühlte sie sich zugehörig und wahrgenommen, nicht lästig oder im Weg. Sie wurde gegrüßt und kleine Worte wurden gewechselt und der Vermieter brachte eine Flasche Wein vorbei und wünschte ein gesegnetes Fest.
 
Die alte Frau spürte dass es ihr letztes Weihnachtsfest sein wird. Sie wollte es sich deshalb besonders schön machen und gönnte sich mit ihrer kleinen Rente einen Weihnachtsbaum. Der war nicht groß, ein wenig krumm aber herrlich dicht und grün. Sie holte aus dem Keller ihren alten Weihnachtsschmuck und stellte den Baum vorsichtig in den verschrammten Ständer neben ihrem Schaukelstuhl.
Da kann ich ihn am besten bewundern, freute sie sich.
Der Christbaumschmuck weckte Erinnerungen und ließ ihre Augen feucht werden.
Sie hatte frische Walnüsse gekauft und mit Häkchen versehen und bunten Bändern. Diese hängte sie zu den roten Kugeln und Lametta. Ihre Mutter hatte immer Walnüsse an den Baum gehängt und die Kinder durften diese dann zusammen mit den roten Äpfeln verspeisen.
Wie fröhlich wir waren. Ich habe schon lange nicht mehr gelacht, dachte sie traurig.
 
Als sie fertig war, bekam sie Rückenschmerzen und setzte sich in ihren Schaukelstuhl. Vorher öffnete sie das Fenster einen Spalt um frische Luft herein zu lassen.  Wie schön er aussieht, wenn ich später die Kerzen anzünde wird es richtig gemütlich und festlich sein.
Sie schloss die Augen und machte ihr wohlverdientes Nickerchen.
 
Draußen auf dem Kastanienbaum vor dem Fenster saß schon eine Weile ein braunes Eichhörnchen. Neugierig beobachtet es das Treiben der alten Frau. Diese hängte Futter auf den Baum und das in rauen Mengen. Das freche Hörnchen konnte es nicht fassen.
Nüsse gehören in den Magen oder unter die Erde und nicht auf eine Tanne.
Als sich die sonderbare Frau nicht mehr rührte, sprang das Hörnchen zum Fenster und lugte in das Zimmer. Der Baum war das reinste Schlaraffenland. Es huschte über die Fensterbank und schlich vorsichtig zu der geschmückten Tanne. Zart biss es in eine Nuss und zog daran.
Ein bisschen Intelligenz und Pfötchengefühl später und der kleine Dieb hatte die prächtige Nuss in seinem Besitz. Lautlos huschte das kleine Hörnchen zurück auf den Baum, knackte die Nuss und ließ sie sich schmecken.
Sofort danach das gleiche Spiel. Nuss stehlen, gleich fressen oder verbuddeln. Bei diesem Angebot durfte man schlemmen und gleichzeitig die Speisekammer auffüllen.
 
Die alte Frau wachte auf und machte langsam die Augen auf. Gleich erkannte sie nicht den Unterschied aber nach einer Minute sah sie mit Erstaunen das die Hälfte der Walnüsse auf dem Christbaum weg waren. Na so was? Ich habe doch alles schön verteilt. Sie sah unterm dem Baum aber keine Nuss war heruntergefallen.
Ich werde eben auch senil, dachte sie.
 Sie setzte sich wieder in den Stuhl und dachte nach. Plötzlich sah sie einen Schatten am Fenster und dann das kleine Eichhörnchen. Es schlich von der Fensterbank direkt zum Baum und stahl die nächste Nuss. Das Hörnchen war so in seinem geschäftigen Trott dass es die Frau gar nicht  beachtete.
 Die alte Frau traute ihren Augen nicht. Das war doch unglaublich. Dieses kleine freche Kerlchen stahl ihr den Christbaumschmuck und hatte anscheinend kein bisschen Angst oder schlechtes Gewissen.
 
Als das Hörnchen die Nuss in seinen Pfötchen hielt und dreist herüber sah, konnte sich die alte Frau nicht mehr zurückhalten und lachte so laut los dass der kleine Frechdachs völlig entsetzt das Weite suchte. Sie lachte und lachte und konnte nicht mehr aufhören. Die Tränen liefen ihr über die runzeligen Wangen.
Das ist das schönste und lustigste Weihnachtsfest das ich je hatte.
Sie klatschte in die Hände und freute sich wie ein Kind.
 Es war bereits dunkel und sie zündete schnell die Kerzen an. Dann nahm sie eine Handvoll Nüsse und legte sie draußen auf das Fensterbrett.
 "Fröhliche Weihnachten mein kleiner Freund", rief sie in den Kastanienbaum. "Komm her und hol dir deine Geschenke. Du hast mir soviel Freude beschert dass werde ich dir nie vergessen".
 Als die alte Frau vergnügt auf ihren herrlichen Baum sah und leise ein altes Weihnachtslied summte, sah sie das kleine Eichhörnchen auf der Fensterbank sitzen und hereinschauen. Sie fühlte dabei so viel Freude in sich und die Einsamkeit war fort. Vielleicht mag es ja auch andere Leckereien, gleich nach den Feiertagen werde ich Futter kaufen und mal schauen ob es wieder kommt.
 Sie war plötzlich überrascht über diesen positiven Gedanken der ein bisschen nach Zukunft roch und dankte Gott für dieses kleine Geschöpf dass ihr wieder Lebensfreude gegeben hatte.
 




Paula überlebt Weihnachten
Auf einem kleinen Bauernhof, der schon bessere Zeiten gesehen hatte, lebte noch der alte Hund Bello, die Kuh Frieda,  Kater Max und die Gans Paula.
Als Paula geboren wurde, bedauerte sie bald kein Schwan geworden zu sein. Sie putze sich pausenlos ihre weißen  Federn, fraß nur die Hälfte des grässlichen Futters und achtete streng auf ihre Linie, indem sie jeden Tag einen strammen Marsch um den Hof watschelte. Sie war eitel und vornehm. Eine arrogante Gans, ein Möchte-Gern- Schwan eben.

Das missfiel natürlich auch der Bäuerin.
„So a dürres Vieh mog koana zu Weihnachten“ schimpfe sie bereits letztes Jahr im Stall bei der Fütterung, als sich die anderen Gänse auf die alten Kartoffelschalen stürzten. Paula saß hochschnäbelig auf einer alten Holzkiste und schaute verachtend ihren Artgenossen beim Schlemmen zu.
Das wird euer Todesurteil, ihr dummen Gänse. Paula erinnerte sich noch gut. Die Gänse bekamen in der Zeit besonders viel zu fressen und als es immer kälter wurde und zu schneien begann, waren die Gänse plötzlich weg. Der rotgesichtige Bauer, er lebte damals noch, packte sie an den Hälsen und steckte sie in eine Transportkiste und fuhr mit ihnen weg. Eine dicke besonders dumme Gans, Paula konnte sie nicht ausstehen, wurde in die Küche gebracht und als der Christbaum geschmückt in der Ecke stand, lag diese bereits knusprig braun gebraten in dem Bräter auf dem Herd.
Mit mir nicht, beschloss  Paula  darauf und zog ihr strenges Fitnessprogramm gnadenlos durch.
Jetzt stand wieder Weihnachten vor der Tür. Es wurde kalt und es roch nach Schnee. Die alte Bäuerin lebte alleine auf dem Hof und kümmerte sich mehr schlecht als recht um das Gehöft und die Tiere. Sie hustete zum Steinerweichen. Der Kater hatte sich längst auf dem Nachbarhof niedergelassen und kam nur noch sporadisch vorbei.
Paula spürte die Gefahr. Weihnachten war ein Fest des Grauens für Gänse. Die Bauersfrau hatte ihr gestern das Fressen gebracht und sie genau beäugt.
„Diesmal bist fällig, für mich reichts, du depperte Gans“ und verließ hinkend den Stall.
„Brings hinter dich“ knurrte der alte Hund und schlief wieder ein. Die Kuh fraß wortlos ihr Heu und schaute Paula mit traurigem Blick an. Es war auch wirklich kein Vergnügen mehr. Ihre Artgenossen fehlten ihr, auch wenn Paula das ungern zugab. Sie fror unter ihrem Federkleid. Eine schlanke Figur war im Winter ein Fluch. Eine schlimme Zeit kam auf sie zu und sie fühlte ihr nahes Ende.
Am nächsten Morgen hörten die Tiere das Husten der Bäuerin bis in den Stall.
Die erstickt sicher bald, dachte Paula und schämte sich für ihre Gedanken. Was sollte denn aus den anderen werden? Sie selber wurde sicher vorher noch verspeist und hatte es überstanden.
Sie hörten plötzlich die alte Bäuerin reden, krächzend und schnell. Dann wieder dieser schlimme Husten. Im Stall war es vollkommen still. Bello und Frieda warteten auf ihr Fressen und Paula auf ihren Gang zum Schafott in den Bräter.
Nach einer Ewigkeit kam ein Auto mit Blinklampe und machte einen Höllenlärm. Paula watschelte zu der offenen Stalltür und sah wie eine Frau und zwei Männer der Bäuerin in den Wagen halfen. Dann verließ das Auto den Hof in Windeseile.
„Sie ist weg“ sagte Paula zu den anderen. „Naja die kommt sicher gleich wieder, so zäh wie die ist.“ Sie warteten den ganzen Nachmittag und die ganze Nacht. Am nächsten Morgen verspürte sogar Paula leichten Hunger.
„Ich schau mal nach“. Paula verließ den Stall und sah, dass die Tür zum Haus angelehnt war. Neugierig spähte Paula hinein in die gute Stube. Auf dem großen Holzofen thronte der Bräter.
Der Sarg steht also schon da. Eigentlich kann ich schon mal probesitzen, dachte sie grimmig.
Galgenhumor war schon immer Paulas Stärke und sie flatterte auf den Tisch und hüpfte rüber auf den Herd. Wenigstens hatte die Alte ihn schön geputzt. Paula graute vor Dreck. Zumindest will ich hübsch sterben, dachte sie und stieg vorsichtig in den Bräter. Erhaben und stolz blickte Paula von oben herab durch die Wohnstube und ihr kleines Gänseherz begann auf einmal heftig zu schlagen.
Soviel Entbehrung und Kasteiung hast du dir angetan und jetzt wirst du doch sterben wie alle anderen. Die Alte kam sicher mit einem Mordshunger nach Hause und warum sollte ich sie nicht überraschen? Sie kann mir gleich hier den Hals umdrehen und ich habe zumindest noch meinen Triumph und zeige ihr meinen Mut.
Paula fühlte sich sehr schlecht und müde. Das alles war auch wirklich der Horror. Sie schloss ihre Augen und begann einzudösen. Sie träumte von einem herrlichen blauen See und sah sich mit wunderschönen Schwänen darin schwimmen. Es war wie im Märchen.
Paula hörte nicht den Wagen der in den Hof fuhr. Eine Frau, ein Mann und zwei kleine Mädchen stiegen aus und gingen zu dem Haus. Sie betraten die Stube und in diesem Moment wachte Paula auf. Sie erstarrte, konnte sich vor lauter Schreck nicht rühren. Der Familie ging es wohl genauso, denn sie schauten auf die Gans im Bräter und konnten es nicht fassen.
Doch dann lachten sie alle schallend und konnten nicht mehr aufhören.
„Sie dir das an“ sagte die Frau mit Tränen in den Augen zu ihrem Mann“ der Weihnachtsbraten begrüßt uns schon“.
 Die vier kamen vorsichtig auf Paula zu und der Mann sagte freundlich.
„Keine Angst, kleines Gänschen. Wir machen uns nix aus Fleisch, bei uns gibt’s Fisch zum Fest. Und so schlank und hübsch wie du bist, behalten wir dich als Unterstützung für Bello.“
„Die Oma ist im Krankenhaus und muss dann ins Heim und wir wohnen jetzt hier und kümmern uns um den Hof“ sagte eines der Mädchen und streichelte vorsichtig Paulas zitterndes Federkleid.
Paula erlöste sich langsam aus ihrer Starre, stieg schnell aus dem Bräter und flatterte in Richtung Ausgang. Ihr hatte es die Sprache verschlagen. Schnell huschte sie zurück  in den Stall und viel dort vor den anderen in eine gnädige Ohnmacht.
„Siehst du, nix Fressen ist schlecht für die Nerven“ sagte Bello zu Frieda und schlief wieder ein.
Am Heiligen Abend, der Stall war gereinigt, die Tiere gefüttert, hörten diese plötzlich ein Singen.
„Oh du fröhliche ,oh du selige, Gnadenbringende Weihnachtszeit“.
 Paula wurde neugierig. Sie ging zu dem Haus und sah durch das kleine Fenster. Die Familie saß am Tisch und verzehrte ihre Forellen mit Kartoffelsalat. Sie lachten und ließen sich das gute Essen schmecken. Ein herrlich geschmückter Christbaum stand in der Ecke.
Eine nette Familie ist das, vor allem sind alle so schlank, dachte Paula zufrieden.
Weihnachten ist eigentlich schön, besonders wenn man es erleben darf, freute sie sich.
Sie hatte heute eine Ausnahme gemacht und das hochwertige Futter, welches ihr gereicht wurde, komplett aufgefressen. Ein kleiner Rundgang um den Hof ist sicher gut für die Verdauung und sie konnte gleich noch nach dem Rechten sehen.
Paula schüttelte zufrieden ihr weißes Federkleid, streckte ihren langen Hals und watschelte stolz durch die sternenklare stille Winternacht in eine glückliche Zukunft.
 


Schneeflöckchen kommt geschneit
Mutter Wolke zieht schwer gefüllt mit uns dicken Regentropfen durch den trüben Himmel. Lang kann es nicht mehr dauern und sie wird sich öffnen und uns in die weite Welt entlassen. Wir drängeln uns dicht zusammen, aufgeregt und bereit auf das große Abenteuer. Was wird mich erwarten? Wo werde ich aufschlagen? Wir Regentropfen sind schwer und wenn es dumm kommt klatsche ich hart auf den Boden auf. Lieber wäre mir natürlich das Wasser, in einen großen See vielleicht oder in einen reissenden Fluß fallen und sich treiben lassen mit Millionen von Artgenossen in den ewigen Kreislauf der Natur.
Kalt ist es geworden, ich zittere und bibbere. Da, wie durch Zauberhand öffnet Mutter Wolke ihre Pforte und wir Regentropfen fallen aus ihrem schützenden Kokon.
Wir schreien und jubeln und jeder wird seine persönliche Geschichte erleben. Ich drehe und purzle  in der Luft, werde immer schneller und schneller.
Doch plötzlich verliere ich meine Geschwindigkeit. Ich werde langsamer und fange an mich zu verändern. Was passiert mit mir? Ich werde immer leichter und verforme mich zu einem Kristall. Ich sehe dass meinen Freunden um mich herum das gleiche passiert. Wir werden zu wunderschönen Sternen aus Eis. Wir schweben und tanzen durch die eisige Luft, wirbeln herum und drehen uns mit unseren wunderschönen weissen Kleidern umher.
Dunkel ist der Himmel über uns geworden. Ein leichter Wind trägt mich zu einem hellen Licht. Immer strahlender wird dieses Licht und ich lasse mich fallen, ergebe mich diesem herrlichen Glanz. Wie ein Wattebausch so leicht komme ich mitten auf einer Tannenspitze zur Ruhe. Die Tanne hat das Licht gesandt. Sie hat mir meinen Weg gezeigt. Sie ist geschmückt mit herrlichen bunten Kugeln und hunderte von Kerzen leuchten auf ihr. Unten auf dem Boden stehen viele Kinder und bestaunen sie mit großen Augen und singen:
 „Schneeflöckchen, Weissröckchen wann kommst du geschneit“......
Ja ich bin da, lache ich. Seht mich an an, ich bin zu euch geflogen, so weit vom Himmel herunter. Ich wohnte in einer Wolke und jetzt sitze ich ganz oben auf diesem wundervollen Baum und ihr singt und freut euch weil ich da bin.
Immer mehr meiner Freunde fliegen zu mir und wir kleiden die Tanne in eine weisse Pracht.
„Es schneit, es schneit, bald kommt Weihnachten“ schreien die Kinder und sie fassen sich an den Händen und springen um den Weihnachtsbaum herum. 
Meine Freunde und ich freuen uns sehr über diese nette Begrüßung und singen unser Lied :
„Schneeflöckchen, Weissröckchen jetzt sind wir geschneit
Wir bringen euch Freude zur Weihnachtszeit“
 
 


Weihnachtsglück für sechzehn Pfoten
Ein eisiger Wind fuhr mir durch meine braunen langen Strähnen. Es war über Nacht bitterkalt geworden. Der Schnee fiel ohne Pause auf die einsame Strasse auf der ich entlang trottete. Schnell konnte ich nicht laufen, ich war hochschwanger und musste schleunigst eine Unterkunft finden. Meine Babys in meinen Bauch zappelten und ich musste kurz stehen bleiben und durchatmen.
 
Wie konnte dass nur passieren? Mir, einer ausgewachsenen intelligenten Hündin mit schönem Fell und großen Augen, gewitzt und gescheit? Ich bewachte einen großen Hof, war zuverlässig und hörte aufs Wort. Die Menschen dort waren gleichgültig mir gegenüber aber ich bekam regelmäßig Futter und durfte mich den ganzen Tag frei bewegen. Nur zum Arzt brachten sie mich nicht und so kam ich eben in die fruchtbaren Jahre und fühlte mich plötzlich seltsam allein.
 
Auf den erstbesten Rumtreiber bin ich reingefallen, kastriert war er, so seine Aussage. Umgarnte mich und versprach mir „den vollen Napf“ auf ewig. Ich war verliebt und es kam wie es kommen musste. Kaum hatte das junge Glück zwischen uns begonnen war es auch schon wieder vorbei und er machte sich aus dem Staub.
 
Die erste Zeit fühlte ich gar nichts, dann wusste ich dass neues Leben in mir wuchs und ich freute mich wie wild. Tollte durch den Hof und jaulte was das Zeug hielt. Wurde langsam dicker und träger. Ich vertraute meinem Umfeld und sah mich in Gedanken mit meinen Kindern den Hof gemeinsam bewachen.
 
Meine Menschen aber sahen meiner seltsamen Veränderung nicht lange zu, ich wurde vom Hof verjagt und mit Steinen beschmissen. Ich verstand nicht was los war, kam zurück und wurde wieder verjagt. Traurig nahm ich Abschied von meiner alten Heimat und trottete einer ungewissen Zukunft entgegen.
 
Die vergangenen Tage waren hart, ich schlief in feuchten Gräben und fraß tot gefahrene Igel von der Strasse, trank Wasser aus dreckigen vereisten Tümpeln. 
Die Kälte wurde immer schlimmer und eines Morgens lag der erste Schnee auf den trostlosen Feldern.
 
Langsam musste ich mir was einfallen lassen, mein Zustand verschlimmerte sich stündlich, meine Babys wollten auf die Welt, aber wollte die Welt meine Jungen und mich?
 
Die Strasse zweigte in zwei Richtungen und mein Instinkt befahl mir nach links zu gehen. Ich lief entlang und kam durch einen dichten Wald. Der Schnee hing schwer und nass in den Tannen und es wurde dunkel.
Ich zwinkerte die weißen Flocken von meinen Augen und meinte in der Ferne ein Licht zu sehen. Es war keine Einbildung. Am Ende der Strasse stand ein Haus mit hell erleuchteten Fenstern. Das war meine Chance, ich durfte keine Zeit verlieren. Schnell lief ich auf das Gebäude zu. Zur meiner Freude stand hinter dem Haus eine große schöne Scheune. Ich horchte und schlich mich langsam auf den sauberen Hof in der Hoffnung irgendwie in die Scheune hinein zugelangen. Ich staunte nicht schlecht, das Scheunentor war leicht geöffnet.
 
Vorsichtig schielte ich in das dunkle Gebäude hinein. Da lag viel helles Stroh und in einer Ecke stand ein großes schwarzes Pferd das mich staunend anschaute.
 
„Was willst du hier?“ fragte es mich mit tiefer Stimme.
„Ich brauche einen Schlafplatz für die Nacht, ich kann nicht mehr laufen“ hechelte ich und schob meinen Bauch etwas nach vorne.
„Ich sehe schon du bekommst Junge. Leg dich zu mir, hier ist frisches Heu.“ Das Pferd nickte mit dem Kopf und ich ging zu ihm. Erschöpft ließ ich mich nieder und wedelte dankbar mit dem Schwanz.
„Ich wurde von meinen Besitzern verjagt, sie wollten meinen Zustand nicht. Ich habe nichts mehr außer meinen Kindern, wenn sie gesund auf die Welt kommen“
„Soso dass sagen sie alle wenn sie im Dreck sitzen“ schnurrte ein dicker roter Kater der plötzlich um die Ecke kam. Seine goldenen Augen funkelten mich strafend an. Er wusste dass ich ihm in meinem Zustand nicht gefährlich werden konnte, deshalb wohl seine freche Klappe.
„Lass sie“ wieherte das Pferd, „ sie hat viel durchgemacht“.
„Du hast recht“ sagte ich zu dem Kater der sich auf das Stroh zu uns legte. „Ich war naiv und wollte etwas für mich haben dass aber andere nicht wollen. Jetzt sitze ich ohne Herr und Hof da mit Kindern denen ich kein Heim bieten kann.“
„ Unser Herr hat dafür gesorgt dass ich keine Frau mehr in Schwierigkeiten bringen kann“ miaute der Kater. „Wer weiß für was es gut war“ grinste er neckisch unter seinen weißen Schnurhaaren.
„Hier ist alles so sauber und ordentlich, ein schönes Zuhause habt ihr hier“
ich schaute mich staunend um. 
„Der Hausherr ist sehr ordentlich und reinigt meine Box jeden Tag, wir haben wirklich Glück“ schnaubte das Pferd zufrieden.
Der Kater nickte und räkelte sich, dann begann er sich seine Pfoten zu lecken.
 
Plötzlich bekam ich heftige Bauchschmerzen, mein Laib drohte zu platzen. Ich jaulte auf und ergab mich dem ersten Krampf. „Es geht los, ich bekomme meine Babys“ jammerte ich.
 „Du musst tief atmen und ruhig bleiben“, beruhigte mich das liebe Pferd.
„Pressen“ maunzte der Kater und machte einen kleinen Buckel.
 Wer hätte dass noch vor ein paar Tagen gedacht, da lag ich nun in einer Scheune und hatte zwei neue Freunde um mich rum, die mir halfen meine Kinder zu gebären und nach vielen Schmerzen, Krämpfen und aufmunternde Worte kamen auf einmal ein kleiner Zwerg nach dem anderen zur Welt.
 Ich konnte mein Glück kaum fassen, drei süße und gesunde Babys lagen feucht und verschwitzt an meinem Bauch. Ihre kleinen Augen waren verklebt aber die tapsigen Pfötchen kamen schon in Bewegung und ich leckte ihnen vorsichtig das Fell sauber. Sie hatten alle braunes Fell wie ich, nur der kleinste hatte noch einen weißen Fleck auf der Brust. Sie sahen alle mir ähnlich und nicht ihrem Erzeuger, dachte ich erleichtert.
 „Das hast du gut hinbekommen“ freute sich das Pferd und wiehert freudig.
Der rote Kater schnurrte begeistert.
 Meine kleinen Racker quetschten sich auch gleich an mich und jeder schnappte sich eine Zitze. Ich war das perfekte Mutterglück.
 Plötzlich wehte ein Windstoss die Scheunentür weit auf und ein Mann mit einem kleinen Mädchen an der Hand kam direkt auf uns zu. Der Mann hatte eine Laterne in der Hand und strahlte uns allen mitten ins Gesicht.
 Sein Blick blieb starr und völlig ungläubig an mir und meiner Familie hängen.
 „Papa schau doch, ein Hund mit lauter kleinen Babys. Ist das mein Weihnachtsgeschenk?“ Das kleine Mädchen lachte freudig und klatschte in die kleinen Hände.
„Eigentlich nicht“, sagte der Mann leise „aber eine Überraschung ist das wirklich, eine gelungene würde ich sagen“.
 Die große Hand des Mannes kam auf mich zu und ich duckte mich aus Angst dass Schläge folgen würden. Aber was war das?
Er streichelte mir zart über meinen Kopf und dann nahm er vorsichtig Baby mit Fleck in seine großen Hände.
„Das sind wirklich Weihnachtsgeschenke auf vier Pfoten“. Sachte legte er mein Kind zu mir zurück,
„Weißt du Papa, ich habe letzte Woche dem Christkind geschrieben dass ich wieder einen Hund haben möchte, jetzt wo der Bello tot ist. Meinst du nicht wir könnten sie alle behalten, weil das Christkind uns doch jetzt gleich so viele Hunde geschenkt hat“
Das Mädchen zupfte aufgeregt an der Jacke des Mannes.
 
Der Mann ging in die Hocke und sah uns alle lange an. Der rote Kater strich am Arm seines Herren entlang und schnurrte. Das Pferd schnaubte leise.
 Sie wollten mir helfen meine guten Freunde.
 „ Nun ich denke die Hündin für mich und ein kleines Hundebaby für dich, die anderen zwei kriegen wir bei Onkel und Tante unter, da geht es ihnen gut und sie können sich regelmäßig sehen“ Der Mann streichelte seiner glücklichen Tochter über das Haar.
 „Jetzt lass uns Futter holen für alle und dann danken wir dem Christkind für dieses schöne Geschenk, die Mama wird uns dass gar nicht glauben, sie vermisst uns sicher schon. Komm lass uns gehen, sie sind sicher alle sehr hungrig.
Und den Christbaum willst du doch auch endlich sehen oder?“
Das Mädchen lächelte freudestrahlend ihrem Vater zu.
 Sie gingen beide leise aus der Scheune.
 „Du bist wirklich ein Glückshund, soviel Dusel muss man haben“ schnurrte der Kater. „Willkommen bei uns“ freute sich das Pferd und stampfte mit den Hufen auf.
 Ich konnte nur ungläubig nicken und schaute glücklich auf meine Kinder. Wir wurden verstoßen und wieder aufgenommen. Wir hatten alle in einer Nacht Freunde und ein neues Zuhause gefunden.  
 
Das alles in nur einer Nacht. Eine besondere Nacht nahm ich an.
 



Weihnachtsbesuch eines Engels
Über einer Stadt schwebte der Geist der Weihnacht. Die Einkaufstrasse bebte unter der Hektik der Menschen auf der Suche nach den letzten Geschenken. Der Weihnachtsmarkt auf dem Hauptplatz zeigte sich als leuchtender, glitzernder Verführer, winkte in den letzen Zügen mit Zimtgeruch und Glühweinduft. Lädt die Suchenden zum kurzen Verschnaufen ein bevor die Jagd nach dem perfekten Geschenk weiter geht. Die Zeit drängt. Alle wollen nach Hause und den Stress hinter sich lassen. Weihnachten spüren, zur Ruhe kommen.
 
Ein Engel beobachtete aus der kalten Winterluft das irdene Treiben. Aus der Distanz, losgelöst vom Druck des Müssens, Habenwollens und Schmerzes, aber auch der Wärme, Liebe und Freude an die er sich noch erinnern konnte. Ohne Zeit und Raumgefühl, erfüllt mit den Erinnerungen durch seine Familie konnte er sich auf diese Reise begeben. Sein Bedürfnis sich seinen Lieben zu nähern war so stark das er das ziellose Wandern durch die Unendlichkeit nicht mehr länger ertragen konnte. Die Herzen der Menschen waren verhärtet, sie spürten nicht die Botschaften ihrer Verstorbenen die sich ihnen nähern möchten, weil sie getrieben wurden, durch das Alltagsleben wie eine Herde Vieh zur Schlachtbank. Es war den Lichtwesen kaum möglich ihre zarten Hinweise an ihre Lieben zu senden an diese verschlossenen Türen ihrer verarmten Seelen. Er war selbst so gewesen, als er noch als Mann auf Erden lebte, hatte sich nicht öffnen können für die Signale die von irgendwo her kamen, die nicht real genug für ihn waren oder die er nicht sehen konnte. Die Realität seiner Lebensführung ließ es einfach nicht zu.
 
Aber an Weihnachten war plötzlich alles anders. Er fühlte die Nähe seiner Familie so stark wie nie zuvor. Als würden sich auf Erden alle Herzen öffnen und Einlass gewähren. Als würden alle Menschen aufeinander zugehen und sich umarmen. Die Wärme und den Frieden die sie dabei ausstrahlten, vereinte sich zu einem Bund der Liebe und Vergebung wie ein unsichtbarer Weg auf dem die Engel hinab gleiten konnten direkt zu ihren Lieben.
Er flog leicht wie eine Feder unsichtbar durch die engen Strassen seiner Stadt. Ließ sich mit den Windböen über die Dächer der Häusermassen tragen, vorbei an seiner Schule in der er als Kind fürs Leben lernte, zu dem Bürogebäude an dem er sein Geld verdiente, verweilte kurz an dem Krankenhaus in dem er geboren wurde und in dem er im Kreise seiner Familie starb, so schnell und viel zu jung. Es zog in hin zu seinem geliebten Stadtpark. Die Wiesen waren mit einer leichten Schneedecke zugedeckt, die Bäume wie mit Puderzucker bestäubt, erstarrt durch den harten Frost der gestern Einzug gehalten hatte. Wie sehr er diesen Park geliebt hatte, wie viele Stunden er in seinem irdischen Leben dort verbracht hatte, den ersten Kuss erhalten, Händchenhaltend spazieren ging mit der Frau und späteren Mutter seiner geliebten Tochter. Wie eine Möwe knapp über den Wellen des Meeres glitt er über den zugefrorenen kleinen See der Anlage dahin, zog sich dann hoch in die Kälte des Abendhimmels hin zu dem Glockenläuten des Doms der zur ersten Christmesse einlud.
 
Der festlich geschmückte Christbaum vor der Kirche ließ ihn innehalten. Dieser herrliche Lichterschein der Tanne erfüllte ihn kurz mit Freuden längst vergangener Gefühle die sich Weihnachten in sein Herz schlichen. Die Liebe zu seinen Zurückgelassenen überwältigte ihn.
Es war das erste Weihnachten für sie ohne ihn.
Seine Frau würde mit der gemeinsamen Tochter, seinem geliebten Enkelkind und seinem Schwiegersohn feiern. Sie würde den Baum das erste Mal ohne ihn schmücken, mit dem gleichen Schmuck den sie zusammen vor Jahren gekauft hatten, den Braten und die Knödel herrichten und die Geschenke um den Christbaum verteilen. Nach der Geschenkverteilung würde sie Punsch und selbstgebackene Plätzchen reichen. So wie sie Weihnachten jedes Jahr feierten, früher zu zweit, dann mit der Tochter und später mit deren Freund und jetzt Mann und Enkelsohn.
Würde er den Anblick ertragen können dies alles zu sehen aber nicht dabei sein zu können? Niemanden umarmen dürfen, keine Küsse verteilen, Wangen streicheln. Würden seine Signale ihre Sinne erreichen und ihn bei sich spüren können?
Vorsichtig näherte er sich der Strasse in der er so viele Jahre gelebt hatte. Er glitt durch die kalten Hausmauern, erregt und voller Furcht vor seinen Gefühlen und sah seine Familie im gemütlichen Wohnzimmer Weihnachten feiern, genauso wie er es sich ausgemalt hatte in seiner Hoffnung.
Bewegt und stolz beobachtete er seine Familie und ein kurzes Schmerzgefühl durchzuckte ihn, als er Tränen in den Augen seiner Frau sah und seine Tochter den Arm um die Schultern der Mutter legte und sie liebevoll festhielt. Sein Schwiegersohn packte mit seinem Enkelkind ein Geschenk aus.
Ein tiefer Seufzer durchdrang ihn und die Kerzen auf dem herrlichen Christbaum flackerten leicht und seine Frau sah durch ihn hindurch und lächelte ihn an. Sie spürte seine Anwesenheit, dass fühlte er und sein Drang sie zu umarmen ließ ihn erzittern.
Doch etwas hielt ihn davon ab, forderte ihn auf zurückzukehren, er musste loslassen. Er war schon zu lange hier. Wurde gerufen und er fühlte dass es gut und richtig war. Noch einmal sah er seiner Frau in die Augen und mit diesem Bild der unendlichen Liebe verließ er lautlos den Raum, flog hoch in die heilige Nacht, leicht und schwerelos zurück an Gottes Herz.
 
 
 


Stern der Hoffnung

Es war einmal ein Stern der hell und strahlend im All leuchtete. Um ihn herum waren unzählige andere Sterne, so viele, dass er nicht wusste wo es anfing und aufhörte. Jeder dieser Sterne war so weit weg von dem anderen. Sie wussten nichts voneinander. Jeder war allein im großen dunklen Nichts.
Es verging eine Ewigkeit und er merkte dass sein Glanz langsam verblasste. Bald werde ich sterben und mein Licht wird verschwinden und niemand wird mich vermissen. Es gibt so viele andere. Der Verbleib eines einzelnen zählt nicht. Dieser Zustand machte ihn sehr traurig und er sah keinen Sinn mehr in seiner Existenz.
Weit im dunklen Nichts war ein Planet der so blau war wie kein anderer in seiner Galaxie. Der Stern fand, dass er wunderschön aussah. Er hatte etwas Magisches, Einzigartiges an sich. Mutter Sonne strahlte auf ihn und er drehte sich im Kreis und ließ sich wärmen. Auch er war allein auf sich gestellt, die anderen Planeten waren zu weit weg. Wir sind alle allein dachte der Stern, allein im Universum.
Auf dem blauen Planeten, weit weg von dem Stern, in einem Haus unter dem Dach saß ein kleines Mädchen und sah aus dem Fenster. Sie beobachtete den Sternenhimmel. Es war klar heute Nacht, die Sterne funkelten um die Wette. Es war der Abend vor Weihnachten. Eigentlich habe ich alles, freute sich das Mädchen, ich habe tolle Eltern und wohne in einem schönen Haus. Wir sind gesund und ich habe viele Freunde. Ich bin wirklich glücklich. Morgen bekomme ich Geschenke. Am meisten würde ich mir wünschen, dass jetzt in dem Moment ein Zeichen kommt von Gott. Der freut sich sicher auch dass morgen wieder Weihnachten ist und die Menschen zumindest an dem Tag ein bisschen netter sind miteinander. Das wäre schön, dachte sie.
Der Stern fühlte seine Zeit war gekommen. Ich werde mich jetzt auf den Weg machen und eins werden mit der unendlichen Dunkelheit im ewigen Nichts. Er ließ sich fallen und zog einen langen hellen Schweif hinter sich her. Wie ein Lichtwesen zog er durch das All und spürte plötzlich eine tiefe Zufriedenheit und Erlösung in sich.
Das kleine Mädchen auf der Erde sah diese wunderschöne Sternschnuppe. Sie war so hell und herrlich anzusehen. Sie zog wie ein Glitzerband durch die schwarze Nacht.
„Fröhliche Weihnachten, lieber Gott“ lachte das kleine Mädchen und klatschte begeistert in die Hände. Mein Wunsch ging in Erfüllung. Ich muss einfach nur fest daran glauben und genau hinsehen, dann sehe ich auch im dunklen Nichts ein Zeichen der Hoffnung.
Ich danke dir.
....weitere Geschichten folgen...

 
 
 
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